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Grippeimpfung bei herzinsuffizienten Patienten

Degam Benefit 01/02 2019

Die meisten von Ihnen werden die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut kennen: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben/34_18.pdf?__blob=publicationFile.

Für den Schutz gegen Influenza wird dazu geraten (Liste nicht vollständig), jährlich alle Erwachsenen über 60 Jahre zu impfen, alle Schwangeren ab dem 2. Trimenon, alle Bewohner eines Alters- bzw. Pflegeheims und alle Personen ab dem Alter von sechs Monaten „mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens“. Gemeint sind hier vor allem chronisch Kranke von Diabetes
über Multiple Sklerose bis hin zu Asthma/COPD oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ich will an dieser Stelle nicht ausführlicher über die umstrittenen Teile dieser Empfehlungen reden. Man könnte z.B. gut darüber diskutieren, warum Ältere ab 60 und nicht wie in den meisten Ländern ab 65 Jahren geimpft werden sollen oder warum die Impfung – ebenfalls wie in vielen anderen Ländern – nicht ausdrücklich für Kinder und Jugendliche empfohlen wird. Die sind in aller Regel immunstark, entwickeln also hohe Antikörperspiegel, während mit dem Alter die Immunantwort stark abnimmt. Besonders kleine Kinder sind effektive „Virusschleudern“ und deren Impfung könnte gut mithelfen, die immunschwachen Alten zu schützen.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass die sächsische Impfkommission eine m.E. vorbildliche Ausnahme macht und die Grippeimpfung ab dem vollendeten 6. Lebensmonat empfiehlt https://www.slaek.de/media/dokumente/02medien/Patienten/gesundheitsinformationen/impfen/E1_2019_Druck.pdf 

Ich will vielmehr auf eine neue Studie hinweisen, die zeigt, dass die Grippeimpfung bei herzinsuffizienten Patienten nicht nur Infektionsrate und Komplikationen vermindert, sondern auch die Gesamtmortalität senkt (das haben bislang bereits zwei kleinere Beobachtungsstudien nahegelegt).

Wer erfährt, dass es sich hier um eine landesweite Kohortenstudie handelt, weiß meist schon, aus welchem Land die Untersuchung stammt: Aus Dänemark, einem Traumland der Epidemiologen, weil dort jeder Bürger eine persönliche Identifikationsnummer besitzt und praktisch alle gesundheitsrelevanten Daten in umfangreichen Registern dokumentiert sind (z.B. dem National Patient Registry, dem National Prescription Registry, dem National Population Registry oder dem National Cause of Death Registry). Dänemark hat auch ein ziemlich gut organisiertes Primärarztsystem – alle hausärztlichen Tätigkeiten wie z.B. Impfungen,
werden im National General Practitioners Reimbursement Registry erfasst.

Studie:
Die Autoren aus Kopenhagen und Boston haben zwischen den Jahren 2003 und 2015 nicht weniger als 151.328 Patienten mit der Diagnose erzinsuffizienz samt allen Begleiterkrankungen und verabreichten Arzneimitteln identifiziert (56% Männer; durchschnittliches Alter 73 Jahre). Diejenigen Kranken, die innerhalb von 30 Tagen verstarben (n=16.711) und Patienten unter 18 Jahren (n=569) wurden von der weiteren Analyse ausgeschlossen, so dass die Gesamtzahl bei 134.048 lag. Primäre Endpunkte waren Gesamtsterblichkeit und kardiovaskuläre Mortalität.
Alle Personen wurden bis zum Tod, der eventuellen Emigration oder bis zum geplanten Ende der Studie (2016 bzw. 2017) nachverfolgt – im Median waren das für die Gesamtsterblichkeit 3.7 Jahre. Bei diesen idealen Bedingungen wundert einen auch nicht die Vollständigkeit der Nachverfolgung: 99.8%!

  • Von den 134.048 herzinsuffizienten Patienten waren 78.379 (58%) mindestens einmal gegen Grippe geimpft worden.
  • Unter Berücksichtigung aller Unterschiede zwischen geimpften und nichtgeimpften Patienten war die Verabreichung mindesten einer Influenza-Vakzine mit einer Verminderung sowohl der Gesamt- als auch der kardiovaskulären Mortalität von 18% verbunden (Hazard Ratio 0.82; 95% Konfidenzintervall 0.81–0.84; P<0.001).
  • Bei Patienten, die im Beobachtungszeitraum mehr als drei Mal ihre jährliche Impfung erhielten, betrug die Reduktion der Sterblichkeit schon 28%!
  • Je häufiger die jährliche Impfung verabreicht wurde, und desto früher im Jahr (September vs. Dezember oder noch später), desto stärker war der Effekt.

Wie bei jeder Arbeit kann man auch bei dieser Untersuchung einige potentielle Schwachpunkte finden (die Autoren benennen sie selbst):

  • Es handelt sich nicht um eine randomisierte kontrollierte Studie (die wird, so meine Einschätzung, auch nie in dieser Größe zustande kommen);
  • erfasst wurden nur Patienten, die durch ihren Hausarzt geimpft wurden (andere Ärzte oder Apotheker in Dänemark bieten Impfungen aber gar nicht an); Daten wie linksventrikuläre
  • Ejektionsfraktion oder BNP-Spiegel waren nicht im Register erfasst.

Quintessenz:
In einer landesweiten Kohortenstudie wurden über fast 13 Jahre 134.048 herzinsuffiziente Patienten und die Häufigkeit einer verabreichten Grippeimpfung erfasst. 58% waren wenigstens einmal gegen Grippe geimpft worden.

Die Verabreichung mindesten einer jährlichen Influenza-Vakzine war mit einer Verminderung sowohl der Gesamt- als auch der kardiovaskulären Mortalität von 18% verbunden, bei mehr als dreimaliger Impfung betrug diese Reduktion bereits 28%!

Je häufiger die jährliche Impfung verabreicht wurde, und desto früher im Jahr (September vs. Dezember oder noch später) desto stärker war die Senkung der Sterblichkeit.

Herzinsuffiziente Patienten sollten jedes Jahr, möglichst schon im September/Oktober, gegen Grippe geimpft werden.

Fazit:

Herzinsuffiziente Patienten sollten jedes Jahr, möglichst schon im September/Oktober, gegen Grippe geimpft werden.
Aufklärung mit absoluten Daten sollte erstellt bzw. vorgehalten werden.

Fazit Regen:

Die Einstellung zur Grippeimpfung ist in der Gruppe geteilt. Wobei wir nicht indoktrinierend auf Patienten einwirken. „Shared Decision Making“ ist eine hilfreiche Option, um den Patienten zu informieren, er entscheidet dann selber.