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Ausschleichen von Antidepressiva

McMaster
Maund E, Stuart B, Moore M, et al. Managing Antidepressant Discontinuation: A Systematic Review. Ann Fam Med. 2019 Jan;17(1):52-60. doi: 10.1370/afm.2336. (Review)

Ziel: Festlegung der Effektivität von verschieden Interventionen beim Absetzen von ADs und das Outcome für Patienten.
Methode: Metaanalyse von Studien bis März 2017. Berücksichtigte Studien waren: RCTs, Quasi-experimentelle Studien oder Beobachtungsstudien, die sich mit begleitenden Interventionen beim Absetzen von ADs bei depressiven erwachsenen Patienten befasst haben. Primäre Outcomes waren: Absetzen von ADs und Begleitsymptomatik. Sekundäre Outcomes waren: Rückfall, erneutes Auftreten, Lebensqualität, AD-Reduktion, sexuelle, soziale und berufliche Funktion.
Ergebnis: Aus 15 Studien konnten 12 berücksichtigt werden. ( 8 RCTs, 2 single-arm-trials, 2 retrospektive Kohortenstudien). Keine von denen hatte eine Bewertung von hohem Bias (weder selection, noch detection Bias). Die Settings waren unterschiedlich: Hausärzten wurde ein Absetzen mit Ausschleichempfehlungen nahegelegt, Hausärzte wurden aufgefordert die Erkrankungen und die Medikation ihrer Patienten zu überprüfen, kognitive Verhaltenstherapie mit Ausschleichen der Medikation, achtsamkeitbasierte kognitive Therapie mit Ausschleichen, nur Ausschleichen, abruptes Absetzen. In 2 Studien, bei denen die Hausärzte aufgefordert wurden ein Ausschleichen (wenn möglich) zu initiieren konnte letztendlich ein Absetzen nicht signifikant häufiger erfolgen als unaufgefordert (“usual care”) (6-7 vs. 8 %) (follow-up 12 Mon.) 6 Studien berichteten über eine Absetzrate von 40-95 % wenn psychologische oder psychiatrische Begleitung erfolgte. In 2 Studien wurden über höheres Risiko von Entzugssymptomen beim abrupten Absetzen berichtet. Nach 2 Jahren war das Risiko vom Rückfall niedriger bei den Patienten mit kognitiver Verhaltenstherapie plus Ausschleichen als bei denen mit allgemeiner Versorgung (“clinical management”) und Ausschleichen (15% to 25% vs 35% to 80%: risk ratio=0.34; 95% CI, 0.18-0.67; 2 Studien). Die Rückfallquote war ähnlich bei Patienten die eine Erhaltungsdosis hatten vs. die achtsamkeitbasierte kognitive Therapie erhalten haben (44% to 48% vs 47% to 60%; 2 Studien ) (das spricht für die Sicherheit der Intervention – Bemerkung KB).
Konklusion: Achtsamkeitbasierte kognitive Therapie und kognitive Verhaltenstherapie können helfen Patienten die ein Absetzen von ADs anstreben, ohne dass sich die Rückfallquote verschlechtert, sie sind jedoch sehr resourcenintensiv. Weitere Therapiewege sollten etabliert werden, die psychologische Unterstützung beinhalten.

Fazit ÄiW:

Im Grunde sind wir in einer Zwickmühle: laut LL sollen wir bei einer mittelschweren Depression entweder Antidepressiva oder Psychotherapie verordnen. Wenn wir dann Antidepressiva geben, haben wir Schwierigkeiten beim Absetzen und brauchen den Psychotherapeuten. Dann kann man ihn auch gleich einbinden und auf Medikamente verzichten. Nur Termine gibt es nicht …..

Wahrscheinlich muss man noch differenzierter vorgehen: Patienten mit länger dauernder Depression oder rezidivierenden Depression müssen wir die „Entwöhnung“ wohl intensiver betreuen und sie darüber gut beraten. Wenn es denn die Patienten überhaupt wünschen.

Die Prompt-Studie (Frankfurt) hat den Ansatz verfolgt, Depressive über regelmäßige MFA-Kontakte an die Praxis zu binden und den Krankheitsverlauf verlässlich zu beobachten. Das könnte ein Modell für unsere Betreuung von Depressiven sein.

Fazit Regen:

War das Antidepressivum schlaffördernd, kann danach möglicherweise auch eine Schlaflosigkeit entstehen. Das sollten wir bedenken beim plötzlichen Absetzen. Weitere schwere Nebenwirkungen haben wir in der Regel nicht erlebt.

Das Absetzen wird in der Regel individuell erfolgen, meist schon auf Patientenwunsch.