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Prednison zur Prophylaxe des Cluster-Kopfschmerzen?

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AMB 2021, 55, 84                                                                                

Der Cluster-Kopfschmerz ist ein primäres Kopfschmerz-Syndrom, das zu den sogenannten trigemino-autonomen Kopfschmerzen zählt. Klinisch ist es durch Attacken eines streng einseitigen, extrem intensiven Kopfschmerzes mit periorbitalem Schwerpunkt und autonomen Symptomen (z.B. Rhinorrhö, Tränenfluss, Horner-Syndrom) gekennzeichnet (1). Die Attacken treten häufig mehrfach täglich auf, typischerweise meist nachts, dauern 15-180 Minuten und beeinträchtigen das Befinden sehr stark. Männer sind dreimal häufiger betroffen als Frauen. Bei 80% tritt der Cluster-Kopfschmerz episodisch auf; dabei wechseln sich symptomatische Episoden ab, die Wochen bis Monate dauern, mit beschwerdefreien Intervallen mit einer Dauer von Monaten bis Jahren.

Cluster-Kopfschmerz ist mit einer Prävalenz von 0,1% nicht sehr selten; dennoch vergehen meist viele Jahre mit zahlreichen Arztbesuchen bis die korrekte Diagnose gestellt wird (2).

Einzelne Attacken können mit Inhalation von Sauerstoff, Triptanen (Nasenspray oder subkutan) oder Lidocain intranasal behandelt werden (3, 4). Zusätzlich ist aufgrund der Intensität und Häufigkeit der Attacken in der Regel eine medikamentöse Prophylaxe indiziert. Diese kann nach Ablauf der individuell typischen Episodendauer pausiert und bei einer neuen Episode wieder begonnen werden. Zur Prophylaxe wird vorwiegend Verapamil eingesetzt, für dessen Wirksamkeit jedoch nur eingeschränkte Evidenz vorliegt (3-5). Verapamil ist in Deutschland in dieser Indikation nicht zugelassen, nach der Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses aber verordnungsfähig (6). Um die Wirklatenz in der Aufdosierungsphase von Verapamil zu überbrücken, werden häufig zusätzlich orale Steroide für bis zu 2 Wochen empfohlen (3, 4). Während für die Wirksamkeit subkutaner subokzipitaler Injektionen (im Bereich zwischen Protuberantia occipitalis externa = Inion und Processus mastoideus) von Glukokortikosteroiden auf der Seite des Schmerzes inzwischen gute Evidenz vorliegt (9), war dies bisher für die orale Prophylaxe mit Glukokortikosteroiden nicht der Fall (4). Nun hat sich die Datenlage verbessert (7).

Bei der mit öffentlichen Mitteln finanzierten PredCH-Studie handelt es sich um eine doppelblinde, randomisierte kontrollierte Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit von Prednison in der kurzfristigen Prophylaxe des Cluster-Kopfschmerzes (7). Prednison ist ein „Prodrug“ von Prednisolon mit gleicher Wirkungsintensität wie Prednisolon.

Studiendesign: An 10 für Kopfschmerzen spezialisierten Studienzentren in Deutschland wurden Patienten im Alter von 18-65 Jahren mit episodischem Cluster-Kopfschmerz gemäß den Kriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft eingeschlossen. Um die Rate spontaner Remissionen zu minimieren, wurden nur solche Patienten eingeschlossen, bei denen die voraussichtliche Dauer der aktuellen Episode zum Zeitpunkt der Randomisierung mehr als 30 Tage betrug. Ausschlusskriterien waren u.a. Diabetes mellitus, arterielle Hypotonie/Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, gastrointestinale Ulcera und eine Behandlung mit zahlreichen Medikamenten (u.a. orale Antikoagulanzien, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer). Patienten wurden im Verhältnis 1:1 den beiden Studienarmen (Prednison oder Plazebo) durch Randomisierung zugeteilt.

In der Interventionsphase (Tag 1-17 nach Randomisierung) erhielten die Patienten im Steroid-Arm zunächst für 5 Tage täglich 100 mg Prednison oral, anschließend wurde die Dosis alle 3 Tage um 20 mg reduziert (Therapiedauer 17 Tage). Zusätzlich zu Prednison bzw. Plazebo erhielten alle Patienten zum Beginn der Interventionsphase eine Prophylaxe mit Verapamil (initial 3 x 40 mg/d, Erhöhung alle 3 Tage um 40 mg/d bis zu einer Maximaldosis von 3 x 120 mg/d).

Bei Nebenwirkungen konnte die Dosis von Verapamil individuell angepasst werden. Außerdem erhielten alle Patienten u.a. täglich 40 mg Pantoprazol zur Prophylaxe gastrointestinaler Nebenwirkungen von Prednison. Nach Ausschleichen von Prednison schloss sich eine Nachbeobachtungsphase (Tag 18-28) an, in der die Prophylaxe mit Verapamil fortgesetzt wurde. Zugelassen zur Attacken-Therapie von Cluster-Kopfschmerz waren Triptane, Sauerstoff, intranasales Lidocain und nichtsteroidale Antirheumatika.

Die Studie war für den Einschluss von 144 Patienten berechnet, musste aber vorzeitig beendet werden, da nicht ausreichend Patienten in der vorgesehenen Zeit rekrutiert werden konnten und die Finanzierung auslief. Die modifizierte „Intention-to-treat“-Analyse schloss 109 Patienten ein (83% Männer, Durchschnittsalter etwa 41 Jahre).

Der primäre Endpunkt, die durchschnittliche Zahl von Attacken in der ersten Studienwoche, war in der Prednison-Gruppe signifikant niedriger als in der Plazebo-Gruppe (7,1 ± 6,5 versus 9,5 ± 6,0; Differenz: -2,4; 95%-Konfidenzintervall = CI: -4,8 bis -0,02).

Ein vollständiges Sistieren der Attacken nach 7 Tagen wurde häufiger unter Prednison als unter Plazebo beobachtet (35% versus 7%; p = 0,000065). Eine Reduktion der Attackenfrequenz nach 7 Tagen um mindestens 50% wurde unter Prednison bei 49%, unter Plazebo bei 15% der Probanden registriert (p = 0,00001); dieser Vorteil von Prednison war auch nach 28 Tagen noch nachweisbar (71% versus 45%; p = 0,01). Studienabbrüche wegen Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen selten (Prednison: n = 2; Plazebo: n = 3). Schwere Nebenwirkungen traten unter Prednison nicht auf. Weitere Studien sollten klären, welche steroidtypischen Wirkungen und vor allem Nebenwirkungen die hier eingesetzte Gesamtmenge von Prednison (immerhin 1.100 mg innerhalb eines Zyklus von 17 Tagen) bei prophylaktischer Einnahme, die möglicherweise ein- oder zweimal im Jahr erfolgt, während mehrerer Jahre verursacht. Auf dieses schwerwiegende, ungelöste Problem weist auch die Autorin eines begleitenden Kommentars hin, in dem die Ergebnisse dieser Studie ansonsten positiv beurteilt werden (8). Wir sehen besonders die hohe Dosierung von Prednison in dieser Indikation kritisch: Die initiale tägliche Dosierung von 100 mg entspricht einer Glukokortikosteroid-Wirkung, die ca. 40-fach höher liegt als die der täglichen Sekretionsrate des physiologischen Hydrocortisons. Es sollte geprüft werden, ob der gleiche therapeutische Effekt auch mit einer deutlich niedrigeren Dosis von Prednison erreicht werden kann.

Fazit: In der Prophylaxe des Cluster-Kopfschmerzes wirkt die zusätzliche Einnahme von Prednison in der Phase der Aufdosierung von Verapamil rascher als die Monotherapie mit Verapamil. Für Patienten mit Kontraindikation gegen eine systemische Gabe von (in dieser Studie hoch dosiertem) Prednison könnten subkutane subokzipitale Injektionen eines Glukokortikosteroids besser geeignet sein, um die Wirklatenz von Verapamil zu überbrücken.

Fazit:

Wenn man sich für Verapamil zur Prophylaxe entscheidet (Schmerzphasen über einen Monat), sollte man die Kortisondosis dazu geben

Fazit Regen:

Sehr beeindruckender, relativ häufiger Kopfschmerz. Verapamil als Prophylaxe, im Anfall Sauerstoffinhalation (auf Kasse zu verordnen). Kortison kann zusätzlich zum Verapamil beim Beginn der Prophylaxe Linderung bringen und die Phase verkürzen.