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Patienten mit Meniskusriss: Physiotherapie ist arthroskopischen Meniskektomie nicht unterlegen

Frage: Ist eine Physiotherapie einer arthroskopischen Meniskektomie bei Patienten mit nichtobstruktivem
Meniskusriss bezüglich Besserung der Symptome und der Funktion unterlegen?

Hintergrund:
Die partielle arthroskopische Meniskektomie bei Patienten mit einem Meniskusriss ist eine sehr häufig durchgeführte Operation. Mehr als die Hälfte aller Personen, älter als 50 Jahre, haben degenerative Meniskusveränderungen mit einem Riss. Ein grosser Teil dieser Menschen hat aber keine Symptome.
Bei Patienten mit Symptomen können diese mit einer Physiotherapie verbessert werden, einige (viele) Patienten werden aber operiert. Der Nutzen dieser Operation wird allerdings sehr kontrovers diskutiert.
Bis anhin wurden sechs randomisierte Studien, in denen untersucht wurde, ob die Operation besser als die Physiotherapie ist, publiziert. Eine Metaanalyse der Ergebnisse von fünf dieser Studien ergab einen Vorteil der Operation gegenüber der Physiotherapie nach einem halben Jahr. Ein und zwei Jahre nach der Operation war aber kein Unterschied zwischen der Operation und einer Physiotherapie mehr nachweisbar.
In dieser Studie wird untersucht ob die Physiotherapie schlechter ist als die arthroskopische Meniskektomie, gemessen an der Funktion des Knies nach zwei Jahren.

Einschlusskriterien:

  • 45 bis 70 jährige Patienten mit einem im MRI nachgewiesenen Meniskusriss (degenerativ oder traumatisch)
  • Keine Streckhemmung im Kniegelenk

Ausschlusskriterien:

  • Frühere Operation am Knie
  • Instabilität des Kniegelenks wegen Ruptur eines Kreuzbandes
  • Schwere Form der Arthrose (Kellgren-Lawrence Score von 4)
  • BMI > 35

Studiendesign und Methode:
Multizentrisch, randomisierte Studie, non-inferiority Studie (mit diesem Design wird die Frage untersucht ob die Physiotherapie «schlechter» ist als die arthroskopische, partielle Meniskektomie)
Studienort:
9 Zentren in den Niederlanden

Interventionen:

  • Gruppe 1: arthroskopische partielle Meniskektomie; eine postoperative Physiotherapie erhielten die Patienten nur, wenn die Erholungsphase nicht erwartungsgemäss (verzögert) verlief
  • Gruppe 2: Physiotherapie nach einem bestimmten Protokoll (16 Sitzungen a 30 Minutenüber 8 Wochen)

Outcome:
Primärer Outcome
Patienten mit Meniskusriss: Physiotherapie ist arthroskopischen Meniskektomie nicht unterlegen www.evimed.ch

  • Knie-Funktion-Fragebogen (IKDC) (ein validierter Fragebogen mit dem die Kniefunktion, Symptome und die Möglichkeit Sport zu betreiben erfasst werden; auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten). Der minimal relevante Unterschied im Score, damit die Patienten eine Verbesserung spüren, beträgt acht Punkte.

Sekundäre Outcomes

  • Knieschmerzen beim Heben von Gewichten
  • Progression der Arthrose (Kellgren-Lawrence Klassifikation)
  • Genereller Gesundheitszustand

Resultat:

  • 321 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen, von 289 (90%) konnten die Outcome-Daten nach 24 Monaten erhoben werden.
  • Das mittlere Alter lag bei 58 Jahren, die Hälfte der Teilnehmer waren Frauen. Etwas mehr als 80% der Patienten hatten eine Kellgren-Lawrence Score von 1 oder 2.
  • Der Knie-Funktion-Symptom-Score (IKDC) stieg in beiden Gruppen an und der Unterschied im Score zwischen den beiden Gruppen betrug nach 24 Monaten 3.6 Punkte (nach 12 Monaten 5.3 Punkte). Diese Ergebnisse liefern keine Hinweise darauf, dass die Physiotherapie weniger wirksam ist die Operation. Drei und 6 Monate nach der Randomisierung ist die Physiotherapie, nach den Ergebnissen dieser Studie, der Operation in der Wirksamkeit unterlegen.
  • Schmerzen im Knie beim Heben eines Gewichts waren nach 24 Monaten in der operierten Gruppe geringer als in der mit Physiotherapie behandelten Gruppe, bei den anderen sekundären Outcomes – Progression der Arthrose und genereller Gesundheitszustand – war kein relevanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen vorhanden.
  • Gravierende Nebenwirkungen (kardiovaskulär, neurologisch, venöse Thromboembolien, Reoperationen) waren bei 9 Patienten in der chirurgisch behandelten Gruppe und bei 8 in der Physio-Gruppe zu verzeichnen.

Kommentar:

  • Diese Studie liefert einen weiteren Hinweis, dass bei Patienten mit einem nicht-obstruktiven Meniskusriss (im Wesentlichen heisst das ohne Streckhemmung) die Physiotherapie einer chirurgischen Therapie nicht unterlegen ist, und die Physiotherapie eine gute Alternative zur chirurgischen Therapie darstellt.
    Literatur: Van de Graaf VA et al. Effect of Early Surgery vs Physical Therapy on Knee

Fazit:

Nicht akute Meniskusbeschwerden ohne Streckhemmung: bei Vorliegen von Meniskusrissen ist die alleinige Physiotherapie der Operation nicht unterlegen. Wir können Patienten zum konservativen Vorgehen ermutigen.

Fazit Regen:

Wir machen die Erfahrung, dass trotzdem in der Chirurgie doch eher operiert wir. Patienten sind oft sehr ungeduldig und neigen zur OP. Wir brauchen sehr viel Zeit, um unsere Patienten aufzuklären. Und Patienten brauchen dann ebenfalls viel Geduld.
Die Qualität der Physiotherapie ist leider auch inhomogen. Und es braucht auch die Adhärenz der Patienten. Also sehr wichtige Variablen im konservativen Vorgehen.
Das Protokoll der Physiotherapie in der Studie wäre auch für unsere Physiotherapeuten in der Behandlung dieser Patienten interessant.