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Antihypertensive Fixkombination zur Initialtherapie – keine gut begründete Empfehlung

Dr. med. Michael Zieschang, Darmstadt
Arzneiverordnung in der Praxis vorab online 9. Mai 2022

Pro und Contra einer in vielen Leitlinien empfohlenen initialen antihypertensiven Kombinationstherapie werden im Folgenden diskutiert. Die meisten Studien, die eine solche Empfehlung begründen sollen, sind retrospektiv, nicht randomisiert und haben lediglich, wenn überhaupt, eine schwache Evidenz. Die Kombination von blutdrucksenkenden Medikamenten ist deutlich effektiver als die Dosissteigerung einzelner Medikamente. Gegen
eine schrittweise Kombination (z. B. in vier- bis sechswöchentlichen Abständen) spricht unserer Ansicht nach nichts. Durch die Verwendung von Fixkombinationen in einer Tablette (meist deutlich teurer als die Einzelkomponenten) erhofft man sich Vorteile in der Adhärenz. Dieser mögliche Vorteil konnte allerdings ebenfalls nicht in klinisch bedeutsamen Endpunkten belegt werden. Fixkombinationen sollte man daher lediglich in Sonderfällen (Patienten mit hoher Tablettenanzahl und Klagen darüber) verwenden. In vielen Leitlinien wird zur Behandlung einer Hypertonie schon zu Beginn eine Fixkombination zweier antihypertensiver Medikamente empfohlen. Ausgenommen von dieser Empfehlung sind lediglich Patienten mit Grad-I-Hypertonie oder solche, die älter als 80 Jahre oder gebrechlich sind. Zwei Artikel in Hypertension von 2021 diskutieren Pro (1) und Contra (2) einer solchen Strategie.

Es wird argumentiert, dass der Beginn der antihypertensiven Einstellung mit einer Kombinationstherapie zu einem rascheren Erreichen der Blutdruckziele und damit auch zu einer verringerten Anzahl von harten Endpunkten führe. Als Beleg wird die nachträgliche Auswertung der Value-Studie von Weber et al. angeführt. Hier wurden aber viele Patienten mit Vortherapie in die Studie eingeschlossen und Valsartan gegen Amlodipin plus zusätzliche Medikation getestet. Keineswegs also eine initiale Kombinationstherapie verschiedener Medikamente. Patienten mit einem guten Ansprechen nach einem Monat bzw. einem kontrollierten Blutdruck nach sechs Monaten schnitten darin bei harten kardiovaskulären Endpunkten besser ab als ihre gematchten Kontrollen. Kann das initial gute Ansprechen nicht einfach diejenigen Patienten mit einer guten Prognose selektiert haben, die einfacher einzustellen waren?

Als weiterer Beleg wird eine retrospektive Kohortenstudie von Xu von 2015 angenommen. Darin wurden rückwirkend Daten von 88.756 Erwachsenen mit Hochdruck ausgewertet. Es wurde gesehen, dass Patienten mit systolischen Blutdruckwerten von über 150 mmHg mehr kardiovaskuläre Ereignisse hatten und dass sich bei Blutdruckwerten zwischen 130 und 150 mmHg dieses Risiko nicht weiter senken ließ. Betrug die Zeit bis zur Intensivierung der antihypertensiven Therapie weniger als 1,44 Monate im Durchschnitt, wurde dies als Basisrisiko für ein kardiovaskuläres Ereignis und Tod genommen. Für einen Zeitraum bis zur Intensivierung zwischen 1,440 und 4,681 Monaten betrug die Hazard ratio (HR) 1,12 (95 % Konfidenzintervall (CI) 1,05 – 1,20, p = 0,009). Für die Zeit zwischen 4,682 – 8,689 Monaten war die HR 1,23 (95 % CI 1,15 – 1,32, p < 0,001). Danach fiel die HR wieder ab. Durch die Frequenz der Visiten wurde dieses Ergebnis nicht beeinflusst. Aber wer wartet denn in Deutschland mehr als 4,6 Monate, um die Ergebnisse der initialen Blutdrucksenkung beurteilen zu können?

Es gibt Hinweise, dass Patienten mit Kombinationstherapie verglichen mit denen unter initialer Monotherapie nach einem Jahr deutlich höhere Raten an gut eingestelltem Blutdruck haben. Wald belegt aber lediglich in einer Metaanalyse von 42 Studien, dass das Hinzufügen einer weiteren Substanz verglichen mit Verdoppelung der Dosis eines Medikaments fünfmal effektiver ist. Die Auswertung elektronischer Patientendaten von Egan zeigt, dass verglichen mit einer Monotherapie zu Beginn Patienten mit einer fixen Dosiskombination als Initialtherapie eine HR von 1,53 (95 % KI 1,47 – 1,58) und Patienten mit einer freien Dosiskombination zu Beginn 1,34 (95 % KI 1,31 – 1,37) für eine bessere Blutdruckkontrolle nach einem Jahr hatten. Dies waren jedoch keine randomisierten Gruppen und weder waren die Blutdruckmessungen, Häufigkeit der Visiten usw. standardisiert.

Außerdem würden Patienten mit initialer Kombinationstherapie eine deutliche bessere Adhärenz aufweisen. Der Prozentsatz von Patienten, die ihre Therapie unterbrachen, betrug für Patienten mit einer nichtdiuretischen Monotherapie 39,4 – 43,1 % innerhalb von neun Monaten und 24,8 – 31,4 % für Therapiekombinationen ohne Diuretika (keine Fixkombinationen). Bemerkenswert ist meiner Ansicht nach eher der hohe Prozentsatz in beiden Gruppen. Hat der statistisch signifikante Unterschied auch wirklich klinisch bedeutsame Auswirkungen?

In der NICE Leitlinie von 2019 wird ebenfalls festgestellt, dass die gefundene Evidenz nicht ausreicht, um eine initiale Kombinationstherapie empfehlen zu können. Lediglich eine Studie mit sehr geringer Evidenz könnte einen Hinweis auf einen Vorteil bei Diabetikern geben.

Patienten mit Grad II Hypertonie (RR > 160/100 mmHg) werden in aller Regel nicht mit nur einer antihypertensiven Substanz eingestellt werden können. Die Empfehlung, bei diesen Patienten sofort mit einer Kombinationstherapie zu beginnen, scheint aber nicht gut begründet. Die gewünschte schnelle Einstellung ließe sich unserer Ansicht nach ebenso gut mit einer Intensivierung der Therapie in vier- bis sechswöchentlichen Intervallen erreichen.

Die meist deutlich teureren Fixkombinationen sollten Sonderfällen vorbehalten bleiben.

1Persu A, Lopez-Sublet M, Algharably EAE-H, Kreutz R: Starting antihypertensive drug treatment with combination therapy. Hypertension 2021; 77: 800-805.
2Zhang ZY, Yu YL, Asayama K et al.: Starting antihypertensive drug treatment with combination therapy: controversies in hypertension – con side of the argument. Hypertension 2021; 77: 788- 798.

Fazit:

Wir nehmen gerne erst einmal ein Präparat und dosieren das auf. Einmal um die Wirkung und auch die Nebenwirkungen abschätzen zu können. Nur in Ausnahmefällen wird eine Kombination eingesetzt.
Mit mehreren einzelnen Wirkstoffen können wir bei der Blutdruckeinstellung besser „Feintuning“ betreiben.

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