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Wirksamkeit von inhalierbarem Budesonid bei Covid 19 Erkrankung

MKK Benefit 04/2021

am Wochenende wurde die bislang nur als Preprint verfügbare Arbeit zur Wirksamkeit von inhalierbarem Budesonid im Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht (Inhaled budesonide in the treatment of early COVID-19 (STOIC): a phase 2, open-label, randomised controlled trial – https://t1p.de/dpmk).

Prof. M Kochen hatte im Benefit vom 17. Februar auf die noch nicht begutachtete Studie hingewiesen].

Der von britischen und australischen Wissenschaftlern verfasste Artikel beschreibt einen offenen, randomisiert-kontrollierten Vergleich von 2×800 mcg/d inhalierbarem Budesonid mit „üblicher Behandlung“:

Von den 146 für die Randomisierung vorgesehenen Teilnehmern im Alter von 44-46 Jahren erhielten letztendlich 69 eine „übliche Behandlung“ (usual care; uc) und 71 das Verum innerhalb von 3-5 Tagen nach Beginn von milden Beschwerden.

Ein positiver RT-PCR wurde bei 137 (94%) Teilnehmern nachgewiesen

Primärer Endpunkt war ein Notfallbesuch, inkl. dem Aufsuchen einer Notfallstation bzw. einer Krankenhausaufnahme.

Sekundärer Endpunkt war das vom Patienten angegebene Ende der Symptomatik (dokumentiert u.a. durch Nutzung von zwei etablierten Fragebögen: FluPRO questionnaire, Common Cold questionnaire). Hausärzte erkundigten sich täglich nach dem Befinden ihrer Patienten.

Die Studie, deren Fallzahlberechnung ursprünglich n=478 Personen (nach erwartetem Rückzug von 20%, n=398) Personen umfasste, wurde vorzeitig beendet. Die Autoren begründen diesen Schritt mit der Angabe, eine statistische Prüfung habe ergeben, dass eine weitere Rekrutierung das Ergebnis nicht mehr beeinflusst hätte.

Die Ergebnisse

Elf der 140 Patienten erreichten den primären Endpunkt – 15% der mit usual care (uc) und 3% der mit Budenosid behandelten (Ratendifferenz 0·123, 95% KI 0·033–0·213; p=0·009).

Die Number needed to treat (NNT) betrug 8.

Aus den multiplen und z.T. verwirrenden Daten zum sekundären Endpunkt (z.B. wie schnell fiel Fieber innerhalb von 7 Tagen, wie groß war der Unterschied in Tagen bei der Einnahme von Analgetika zur Fiebersenkung etc.) seien nur wenige erwähnt:

Die mittlere Dauer bis zum Ende der Symptomatik betrug sieben Tage, genauso lange war die mittlere Einnahmedauer von Budenosid.

Unter Budesonid (FLUPro questionnaire) erholten sich die Patienten im Mittel um einen Tag schneller; nach 14 Tagen wurde diese Erholung bei 55 (82%) Teilnehmern in der Budesonid Gruppe und 49 (72%) in der uc-Gruppe angegeben (p=0·166). Keine signifikanten Unterschiede.

Eine Sauerstoffsättigung von 94% oder weniger (an mindestens einem Tag während zwei Wochen) ereignete sich bei 41 (59%) Teilnehmern in der Budesonid-Gruppe und bei 40 (58%) der uc-Gruppe. Ebenfalls nicht signifikant (p=0·943).

Quintessenz

Wie kaum anders zu erwarten, wird diese Studie von vielen Medien als „Durchbruch“ gefeiert. Meine persönliche Einschätzung fällt nüchterner aus: Die fehlende Verblindung und vor allem der vorzeitige Abbruch der Studie relativieren das Ergebnis.

Im weltweit größten Studienregister (clinicaltrails.gov) laufen z.Zt. nur zwei Untersuchungen zu inhalierbaren Corticosteroiden – eine Studie in Buenos Aires mit ambulanten Patienten, die voraussichtlich Ende August abgeschlossen, aber damit noch nicht publiziert sein wird. Eine weitere Studie am Pariser Hôpital Bichat rekrutiert ausschließlich stationäre Patienten mit Pneumonie.

Die theoretische Begründung für den Einsatz des Arzneimittels ist allerdings gut fundiert: In-Vitro-Untersuchungen haben gezeigt, dass die Inhalation von Glucocorticoiden die Replikation von SARS-CoV-2 vermindert und eine Downregulierung sowohl des ACE-2-Rezeptors als auch der transmembranösen Protease Serin-2 bewirkt (beide für den Zelleintritt des Virus von entscheidender Bedeutung). Zudem wird die unterdurchschnittliche „Repräsentanz“ von Asthma-Patienten in den Risikostudien zu Covid-19 auf die häufige Behandlung mit inhalierbaren Corticosteroiden zurückgeführt.

Bis auf Mundsoor (vor allem bei nicht beachteter Mundspülung nach jeder Anwendung) versursacht Budenosid bei kurzfristiger Anwendung keine wesentlichen unerwünschten Wirkungen. Bei der systemischen Gabe von Dexamethason (6mg/d nur bei Patienten auf Intensivstation) sind hingegen ernsthafte Nebenwirkungen zu befürchten.

Von allen an Covid-19 Erkrankten benötigen in Deutschland 90% der positiv getesteten Fälle keinen Krankenhausaufenthalt. Ich würde inhalierbares Budesonid daher zunächst nur bei Personen über 60 Jahren und/oder Risikofaktoren für einen schweren Verlauf (z.B. Adipositas, Diabetes, Hypertonie, COPD, Herz- und Nierenkrankheiten, Immunsuppression) einsetzen – bei anderen Patienten nur bei klinischer Verschlechterung. Bei diesem Personenkreis sollte man auch an weitere Therapieoptionen (wie niedermolekulares Heparin bzw. Fluvoxamin) denken.

Mit meinem Freund und Kollegen Josef Pömsl habe ich knapp gehaltene Therapieoptionen (mit Literaturangaben) für ambulante/hausärztliche Patienten verfasst, die jetzt in der dritten Version vorliegen und für jedermann online abrufbar sind https://t1p.de/uhu4. Für die nächste Aktualisierung der S1-Leitlinie der DEGAM sind entsprechende Änderungen vorgesehen.

Fazit:

Kleine Patientengruppe, überschaubarer Erfolg. Risikopatienten und Patienten mit Symptomen  können wir frühzeitig mit Budesonid behandeln.

Fazit Regen:

Eigentlich können wir nichts falsch machen damit. Wenn es mögliche Risikopatienten gibt, kann man sie damit behandeln (partizipative Entscheidungsfindung).

Es werden noch Studien folgen.

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