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CHLORTALIDON ODER HYDROCHLOROTHIAZID BEI HYPERTONIE?

Thiazide und Thiazid-artige Diuretika gehören seit Jahren zu den Mitteln erster Wahl bei der Behandlung einer arteriellen Hypertonie, wobei das Thiazid Hydrochlorothiazid (HCT; HCT BETA u.a.) und das Thiazid-artige Chlortalidon (HYGROTON, CHLORTALIDON HEXAL) in Europa gleichrangig empfohlen werden, in den USA dagegen Chlortalidon bevorzugt wird.1,2 Chemisch haben die Substanzen eine ähnliche Struktur (Sulfonamidstruktur), weisen pharmakologisch aber Unterschiede auf: Beide hemmen die Natriumrückresorption in den distalen Tubuli, Chlortalidon jedoch auch die Karboanhydrase. Pro Gewichtseinheit senkt Chlortalidon den Blutdruck etwa doppelt so stark, bei gleicher Blutdrucksenkung werden teils höhere Kaliumverluste gefunden, die Halbwertzeit beträgt 40-60 Stunden, die von HCT 6-12.3-5 Anders als für HCT sind bisher für Chlortalidon keine Hinweise auf ein erhöhtes Hautkrebsrisiko bekannt geworden (siehe a-t 2018; 49: 85-7). In äquieffektiver Dosierung (Blutdruck) soll Chlortalidon nach einigen Analysen zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse Vorteile aufweisen, wobei neben Subgruppenanalysen und indirekten Vergleichen randomisierter Studien teils auch Beobachtungsdaten berücksichtigt werden.6-8 Die wenigen randomisierten Vergleiche untersuchen kleine Patientenkollektive und sind primär auf die Blutdrucksenkung ausgerichtet,9 sodass überzeugende Beweise für einen Vorteil nicht vorliegen.

Jetzt wird mit der US-amerikanischen DCP-Studie der bisher umfangreichste randomisierte Vergleich von Chlortalidon mit HCT zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse publiziert.11 Sie ist pragmatisch konzipiert, offen durchgeführt und prüft in der Primärversorgung bei 13.523 Patienten, die mindestens 65 Jahre alt sind und zuvor auf täglich 25 mg oder 50 mg HCT eingestellt waren, eine Umstellung auf täglich 12,5 mg bzw. 25 mg Chlortalidon gegenüber einer Beibehaltung der HCT-Therapie. Zur Rekrutierung der Patienten, Durchführung der Studie und Erhebung der Endpunkte werden elektronische Krankenakten herangezogen. Primärer Endpunkt ist eine Kombination aus nichttödlichen kardiovaskulären Ereignissen und Todesfällen, die nicht durch Krebs bedingt sind. Es soll unter Chlortalidon eine um relativ 17,5% geringere Rate solcher Endpunktereignisse nachgewiesen werden.

Die Patienten sind überwiegend ältere (im Mittel 72 Jahre) weiße (77%) Männer (97%). Bei 45% ist ein Diabetes bekannt, bei 23% eine eGFR unter 60 ml/min, bei je 8% eine Herzinsuffizienz oder ein Schlaganfall und bei 4% ein Herzinfarkt in der Anamnese. Im Durchschnitt benötigen sie 2,6 Antihypertensiva, worunter der systolische Blutdruck im Mittel 139 mmHg beträgt. 95% nehmen HCT in ei ner Tagesdosis von 25 mg ein, 13% als Monotherapie und 67% im Rahmen von Zweifach- oder Dreifachkombinationen. Während der medianen Beobachtungszeit von 2,4 Jahren beträgt die mittlere Tagesdosis bei Einnahme von Chlortalidon 12,3 mg, von HCT 23 mg. 15,4% wechseln im Verlauf von Chlortalidon zurück auf HCT, 3,8% von HCT auf Chlortalidon. Der systolische Blutdruck liegt während der Studie in beiden Gruppen im Mittel zwischen 139 und 140 mmHg.

Unter Chlortalidon tritt bei 10,4% der Patienten ein primäres Endpunktereignis auf, unter HCT bei 10,0% (Hazard Ratio [HR] 1,04; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,94-1,16; p = 0,45). Für keine der Komponenten des primären Endpunkts (Herzinfarkt, Schlaganfall, instabile Angina mit Revaskularisation, stationäre Aufnahme wegen Herzinsuffizienz, Nicht-Krebs-Todesfall) wird ein Unterschied festgestellt, die Gesamtmortalität ist in beiden Gruppen gleich (6,6%). In einer vordefinierten, aber nur kleinen (11%) Subgruppe mit Herzinfarkt oder Schlaganfall in der Anamnese sind primäre Endpunktereignisse unter Chlortalidon seltener (14,3% versus 19,4%; HR 0,73, 95% CI 0,57-0,94). Ein Interaktionstest wird nicht angegeben, und die Autoren werten das Ergebnis als am ehesten zufallsbedingt. Unterschiede fallen bei der Verträglichkeit auf: Allergische Reaktionen (1,6% vs. 0,3%, p < 0,001) und Hypokaliämien insgesamt (6,0% vs. 4,4%, p < 0,001) sowie mit stationärem Therapiebedarf (1,5% vs. 1,1%, p = 0,05) sind unter Chlortalidon häufiger, letztere obwohl die Patienten im Schnitt etwas häufiger (ca. 13% vs. 11%) Kaliumersatzmittel einnehmen.

DCP ist der erste aussagekräftige Vergleich der beiden Diuretika, der kardiovaskuläre Ereignisse prüft. Die Studie ist öffentlich finanziert, erscheint seriös und trotz des pragmatischen Konzepts und der offenen Durchführung methodisch valide. Als Einwände werden genannt, dass systolische Blutdruckwerte zwischen 139 und 140 mmHg individuell akzeptabel sind, als Mittelwert über 2,4 Jahre allerdings auf eine suboptimale Therapie für einen Teil der Patienten hinweisen könnten, dass beide Diuretika zudem zu niedrig dosiert sind und dass vierfach häufiger von Chlortalidon auf HCT (zurück-)gewechselt wird als umgekehrt. Die Dosierungen entsprechen jedoch durchaus den in Leitlinien empfohlenen,1,12 und die Blutdruckwerte liegen in einem Bereich, der für ein älteres Patientenkollektiv als akzeptabel gilt.1,2,12,13 Zur höheren Rate an Allergien, Hypokaliämien und Therapieumstellungen unter Chlortalidon dürfte beigetragen haben, dass die Studie unverblindet ist und alle Patienten vor der Studie HCT erhalten und offenbar gut vertragen haben.5 Etwas nebulös bleibt die Feststellung in der Publikation, dass die Erfassung der Endpunkte über die elektronischen Krankenakten noch nicht finalisiert ist.

Die Ergebnisse stützen die aktuellen Empfehlungen der europäischen Leitlinie, dass Chlortalidon und HCT gleichwertig zur antihypertensiven Therapie eingesetzt werden können.1 Wir schließen uns dennoch weiter eher den US-amerikanischen Empfehlungen an,2 die bisher wegen der insgesamt robusteren Datenlage aus klinischen Hypertoniestudien Chlortalidon präferieren. Auch die Hinweise auf ein erhöhtes Hautkrebsrisiko unter HCT sprechen unseres Erachtens eher für Chlortalidon. Zu beachten ist die Äquivalenzrelation von 1 : 2 bei der Dosis und das möglicherweise etwas höhere Hypokaliämierisiko unter Chlortalidon. Für die Praxis dürfte das fehlende Angebot sinnvoller Kombinationspräparate ein Nachteil von Chlortalidon sein, die Option der Einnahme einer doppelten Tagesdosis jeden zweiten Tag aber ein Vorteil. Seit Neuestem sind für Chlortalidon auch 12,5-mg-Tabletten verfügbar, sodass das gerade für Ältere problematische Teilen der 25-mg-Tabletten entfällt (siehe a-t 2023; 54: 6).

  • Thiazide und Thiazid-artige Diuretika gehören zu den Mitteln erster Wahl zur Therapie der arteriellen Hypertonie.
  • Eine große Outcome-Studie hat jetzt erstmals für Chlortalidon (HYGROTON, CHLORTALIDON HEXAL; täglich 12,5-25 mg) und Hydrochlorothiazid (HCT BETA u.a.; täglich 25-50 mg) einen gleichen präventiven Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse gezeigt.
  • Die höhere Allergie- und Hypokaliämierate unter Chlortalidon kann durch die pragmatische Konzeption und offene Durchführung der Studie zumindest mit erklärt werden.
  • Unseres Erachtens können beide Mittel bei Hypertonie gleichermaßen empfohlen werden. Wegen der insgesamt robusteren Datenlage und der Hinweise auf ein erhöhtes Hautkrebsrisiko unter Hydrochlorothiazid präferieren wir jedoch Chlortalidon.

Fazit:

Für HCT wurde hiermit erstmals belegt, dass der gleiche Schutz vor kardiovaskulären Erkrankungen wie durch Chlortalidon besteht.

Es bleibt dabei, dass Patienten mit HCT oder Chlortalidon über das Hauskrebsrisiko aufklären müssen.

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