Hydrochlorothiazide use and risk of nonmelanoma skin cancer: A nationwide case-control study from Denmark , Pedersen et al
Was wurde untersucht?
- Dänisches Krebsregister hinsichtlich Basalzellkazinome und Squamous Cell Karzinome sowie HCT Einnahme via Dänisches National Prescription Registry.
- Es wurde die Odds Ratio bestimmt
- Studienpopulation waren 71.533 Fälle mit Basalzellcarcinom und 8629 Fälle mit Squamous Cell Carcinom.
- 2,7 % der BCC waren high-users von HCT (kumulative Dosis >50.000 mg), OR 1,29
- 10% der SCC waren high-users von HCT (kumulative Dosis > 50.000 mg), OR 3,98
- Dosis-Wirkung-Beziehung nachgewiesen für BCC und SCC Basalzellkarzinom (BCC)
- eine (für Confounder) korrigierte erhöhte Risikoerhöhung von 29% bei „high use” (definiert als > 50.000 mg à12,5 mg über 11 Jahre) von 29%.
Wenn man das weiter trennt sieht man eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung (im Originalartikel auch schön grafisch dargestellt): z.B.
- 50.000-75.000 mg ergibt eine Risikoerhöhung von 14% (entspricht 11-16,5 Jahre bei 12,5 mg/d)
- 100.000-150.000 mg ergibt sich eine Risikoerhöhung von 30% (entspricht etwa 22-33 Jahre bei 12,5 mg/d)
- 200.000 mg oder mehr (wäre also 12,5 mg täglich über 44 Jahre) ergibt eine Risikoerhöhung von 54%. Plattenepithelkarzinom (SCC)
- eine (für Confounder) korrigierte erhöhte Risikoerhöhung von 298% bei „high use” (definiert als > 50.000 mg à12,5 mg über 11 Jahre) von 29%.
Wenn man das weiter trennt sieht man eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung: z.B.
- 50.000-75.000 mg ergibt eine Risikoerhöhung von 105% (entspricht 11-16,5 Jahre bei 12,5 mg/d)
- 100.000-150.000 mg ergibt sich eine Risikoerhöhung von 256% (entspricht etwa 22-33 Jahre bei 12,5 mg/d)
- 200.000 mg oder mehr (wäre also 12,5 mg täglich über 44 Jahre) ergibt eine Risikoerhöhung von 638%.
Aber: relative Risikoerhöhung muss man IMMER im Rahmen der Inzidenz/Prävalenz betrachten!
Die Prävalenz eines BCC schwankt je nach Sonneneinstrahlung zwischen 20–50 (Mitteleuropa)
Erkrankungen auf 100.000 Einwohner, das sind in DL etwa 137.000 Neuerkrankungen im Jahr und beim SCC etwa 70.000 Neuerkrankungen im Jahr in Deutschland.
Wenn man es umdreht: nur 2,7% der Menschen mit BCC hatte 50.000 mg HCT oder mehr genommen und nur 10% der Menschen mit SCC…..
Wir können also die „Hautkrebsepidemie” nicht aufhalten durch das Weglassen von HCT.
Ergänzung, da Lippen-CA in der oben genannten Studie ausgeschlossen wurde:
Hydrochlorothiazide use is strongly associated with risk of lip cancer. Pottegård A et al. J Intern Med. 2017 Oct;282(4):322-331. doi: 10.1111/joim.12629. Epub 2017 Jun 6.
„Ever-Use“: OR 2,1
„High-use“ über 25.000 mg: OR 3,9
>100.000 mg: OR 7,7
→ Hier wird angenommen, dass 11% der Lippenkarzinome durch HCT verursacht werden
ODDs Ratio:
Die Odds Ratio, kurz OR, oder das Quotenverhältnis ist eine Messzahl aus der Statistik, die etwas über die Stärke eines Zusammenhangs von zwei Merkmalen aussagt. Zwei „Odds“ (Quoten) werden dabei miteinander verglichen. Odds für eine bestimme Erkrankung sind der Quotient aus der Anzahl der erkrankten Personen und der Nichterkrankten.
Die Odds Ratio bezieht sich auf Quoten und nicht auf Wahrscheinlichkeiten wie das relative Risiko(RR).
Die Odds ratio wird häufig in der Epidemiologie verwendet, um auszudrücken, wie stark ein vermuteter Risikofaktor mit einer bestimmten Krankheit zusammenhängt. Man vergleicht dabei Personen mit einem potentiellen Risikofaktor für eine Erkrankung mit Personen, die diesen Risikofaktor nicht aufweisen. Die Odds Ratio drückt dann aus, um wie viel größer die Chance in der Gruppe mit Risikofaktor ist, zu erkranken – verglichen mit der Chance in der Gruppe ohne Risikofaktor.
Sie kann Werte zwischen 0 und ∞ annehmen. Ein Wert größer 1 bedeutet, dass die Chancen (odds) der ersten Gruppe größer sind, ein Wert kleiner 1 bedeutet, dass die Odds der ersten Gruppe kleiner sind. Ein Wert von 1 bedeutet ein gleiches Quotenverhältnis.
Fazit:
Das Fazit der Studienautoren lautet den Einsatz von HCT gut zu überdenken, da viele alternative Antihypertonika mit ähnlich guter Wirkung, aber ohne Assoziation zu Hautkrebs zur Verfügung stehen. Laut Arzneimitteltelegramm sollten alle Patienten von HCT auf Chlorthalidon umgestellt werden. Allerdings liegen derzeit noch keine Daten zu Chlorthalidon und seine Wirkung auf weißen Hautkrebs vor – weder in dieser Studien noch in anderen. Zusätzlich ist auch die Schlussfolgerung der Studienautoren kritisch zu bewerten, da Dr Pottegard u.a. durch Förderungen von LEO Pharma erhält, die Bendroflumethiazid herstellen, welches ja eines der Alternativ-Thiazide darstellt.
Die Empfehlung des Medicines Evaluation Board (MEB) der Niederlande beruft sich auf die weiterhin positiv ausfallende positive Nutzen-Risiko-Profil des HCT und empfiehlt daher die Umstellung auf Chlorthalidon vorerst nur für Patienten, die bereits ein BCC oder SCC hatten.
Die vorliegende Originalstudie legt nahe besonders bei zwei Gruppen das erhöhte Hautkrebsrisiko unter HCT zu bedenken und eventuell in der Wirkstoffwahl zu beachten:
a) bei jungen Patienten <50 Jahren: da die kumulative Dosis ausschlaggebend ist, haben jüngere Patienten auf ihr Leben gesehen ein höheres Risiko
b) bei Frauen: hier ist v.a. das Risiko für SCC erhöht (OR = 4,46 vs. 3,26 bei Männern); dies könnte u.U. aber auch mit unterschiedlichen Sonnenexpositionsgewohnheiten von Frauen und Männern zusammen hängen.
Generell sollten Patienten, die HCT erhalten, über seine photosensibilisierende Wirkung, das potentielle Risiko an weißem Hautkrebs zu erkranken, sowie protektive Maßnahmen bezüglich der UV-Exposition aufgeklärt werden. Zusätzlich sollte der behandelnde Arzt das Risiko im Kopf behalten und auf Auffälligkeiten der Haut mit der angemessenen Aufmerksamkeit reagieren. In diesem Zusammenhang ist auch das Hautkrebsscreening von gesteigerter Bedeutung.
Fazit Regen:
Wenn Patienten aktiv nachfragen, sollte man auf alle Fälle reagieren. Dies ist spätestens dann zu erwarten, wenn das Thema in die Medien kommt. Dann kann schnell ein Lieferengpass entstehen.
Chlorthalidon, Xipamid und Indapamid wären Alternativen.
Es wären gut verständliche Materialien, die das Hautkrebsrisiko realistisch darstellen und uns in der Beratung unterstützen, sehr hilfreich. So stehen wir wieder am Ende der Erklärungskette und müssen die nicht einfache Aufklärungsarbeit leisten.