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Amitriptylin

Horton-Stiftung:
http://www.evimed.ch/journal-club/artikel/detail/amitriptylin-in-niedriger-dosierung-zur-therapie-von-patienten-mit-chronischen-lumbalen-rueckenschme/

Frage:
Wirksamkeit und Sicherheit von Amitriptylin in niedriger Dosis bei Patienten mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen

Hintergrund:
Für Patienten mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen stehen verschiedene Modalitäten zur Verfügung. Antidepressiva, eine der Modalitäten, werden immer häufiger verschrieben. In einem Teil der Guidelines, es gibt mehr als ein Dutzend publizierter Guidelines, werden Antidepressiva (trizyklische) empfohlen, in anderen nicht. Es gibt auch vier Metaanalysen zu dieser Fragestellung und das Ergebnis ist, dass es keine klare Evidenz für die Wirksamkeit von Antidepressiva gibt. (Das ist das übliche Ergebnis von Reviews und Metaanalysen).
Amitriptylin ist ein trizyklisches Antidepressivum, das nach Angaben der Autoren dieser Studie oft in der Behandlung von Schmerzen wegen des nicht nur antidepressiven, sondern auch analgetischen Effekts verschrieben wird.
In dieser Studie wird die Wirksamkeit von Amitriptylin bei Patienten mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen untersucht.

Einschlusskriterien:

  • 18- bis 75-jährige Patienten mit unspezifischen (d.h. ohne klare somatische Ursache) lumbalen Rückenschmerzen (unterer Rippenrand bis Glutealfalte; also keine Ausstrahlung in die Beine)
  • Dauer der Beschwerden mindestens drei Monate

Ausschlusskriterien:

  • Andere Erkrankungen mit Einschränkungen der Körperfunktionen
  • Depression, bekannt und/oder behandelt
  • Patienten, die mit Opioiden behandelt wurden
  • Kontraindikationen für Amitriptylin

Studiendesign und Methode: Randomisiert, doppelt verblindet

Interventionen:

  • Gruppe 1: Amitriptylin 25 mg/d
  • Gruppe 2: Benztropin 1 mg/d (Benztropin ist ein Anticholinergikum; hat keine analgetische Wirkung, das Nebenwirkungsprofil ist ähnlich dem des Amitriptylins, speziell trockener Mund)
  • Die sonstige Behandlung der Patienten blieb den behandelnden Ärzten überlassen, erlaubt waren nicht-opioidhaltige Medikamente und nicht-steroidale Analgetika. Die Dauer der Studie betrug 6 Monat

Outcome:

Primärer Outcome

  • Schmerzintensität nach 6 Monaten auf einer Visual-Analog-Skala (0 bis 100)

Sekundäre Outcomes

  • Einschränkung der körperlichen Funktionen mit einem validierten Frageinstrument (RMDQ)
  • Abwesenheit von der Arbeit
  • Lebensqualität und »generelle Verbesserung«
  • Nebenwirkungen

Resultat:

  • Während 4 Jahren wurden 876 Patienten auf die Eignung zur Teilnahme an der Studie untersucht und 146 Patienten wurden randomisiert.
  • Das mittlere Alter betrug 55 Jahre, der mittlere BMI lag bei 29.4, fast zwei Drittel waren Männer.
  • Bei Baseline war die mittlere Schmerzintensität bei 41.6 auf der VAS Skala (0-100).
  • Nach 6 Monaten betrug der Unterschied zwischen den beiden Gruppen in der Schmerzintensität 7.8 Punkte zu Gunsten von Amitriptylin – der Unterschied ist statistisch knapp nicht signifikant.
  • Nach drei Monaten war der Unterschied in der Schmerzintensität 1.05 Punkte (statistisch kein signifikanter Unterschied); bei der Einschränkung der körperlichen Aktivität nach drei Monaten war Amitriptylin der Vergleichssubtanz überlegen (statistisch signifikant, ob auch klinisch relevant ist schwer zu beurteilen).
  • Bei allen sekundären Outcomes war kein signifikanter Unterschied beobachtbar; auch bei den Nebenwirkungen und den Studienabbrüchen nicht

Kommentar:

  • Nach der Interpretation der Autoren zeigt sich tendenziell ein positiver Effekt von Amitriptylin (niedrig dosiert) und sie empfehlen, bevor opioidhaltige Medikamente verschrieben werden, einen Therapieversuch mit Amitriptylin in niedriger Dosierung.
  • Es sollen nun Studien mit höheren Dosierungen durchgeführt werden.
  • Die Empfehlung der Autoren für diese Therapie, auch wenn die Evidenz für die Wirksamkeit nicht überzeugend ist, ist im Kontext der zunehmenden Verschreibung von Opioiden und den damit verbundenen Folgen, zu interpretieren.

Fazit ÄiW:

Es ist zumindest einen Versuch wert, die Therapie mit Amitriptylin zu beginnen oder es als Co-Medikation zu versuchen. Die Dosis sollte wegen der QT-Zeit-Verlängerung nicht höher als 10mg gewählt werden. Wenn damit weitere Medikamente eingespart werden können, wäre es sicher sinnvoll.

Stellenwert von Morphium bei Kreuzschmerz in der NVL: „Kann“-Empfehlung für einen umschriebenen Zeitraum (4-12 Wochen) oder bei „Nicht-ansprechen“ auf andere Schmerzmittel.

Fazit Regen:

Bei Rueckenschmerzen ist oft ein psychisches Problem die Ursache, oft wohl auch Unzufriedenheit am Arbeitsplatz oder die Partnerschaft.

Bewegung wäre hilfreich – egal wie. Das hat unserer Erfahrung einen größeren Effekt als Amitriptyllin.

Körperliche Fitness kann Kreuzschmerzen deutlich reduzieren. Auch Joga, Tanzen oder nur Spazierengehen wäre eine Möglichkeit, die wir empfehlen könnten.