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Harnwegsinfekt

Degam Benefit März 2018

Therapie des Harnwegsinfektes: Wie sicher ist Trimethoprim?

In der 2017 publizierten S3-Leitlinie „Harnwegsinfektion“ https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044k_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf heißt es: „Für die Therapie der Zystitis sind Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam oder Trimethoprim gleichwertig zu empfehlen. Fluorchinolone und Cephalosporine werden nicht empfohlen“.

Das Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN; 2012) rät primär zu Nitrofurantoin als Mittel der ersten Wahl; auch TMP wird – bei akzeptabler Resistenzlage – als Ersttherapie eingeordnet. Bei einer GFR <60 ml wird von Nitrofurantoin allerdings abgeraten
Bezüglich Arzneimittelsicherheit zeigen Untersuchungen, dass TMP und Kombinationen von TMP (Cotrimoxazol = Trimethoprim + Sulfametoxazol) können alleine – also ohne Renin-Angiotensin-Blocker – einen akuten Anstieg des Kaliumspiegels auslösen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Renin-Angiotensin-Blockern und TMP Kombination ( Cotrimoxazol )einem erhöhten Risiko des plötzlichen Herztodes assoziiert ist.
Ob TMP alleine aber zu plötzlichem Herztod oder sogar erhöhter Mortalität führt, ist bislang unbekannt.
Britische Wissenschaftler haben jetzt eine große Kohortenstudie vorgelegt, deren repräsentative Daten aus der hausärztlichen Clinical Practice Research Datalink stammen. Untersucht wurden über einen Zeitraum von gut 18 Jahren Erwachsene über 65, die innerhalb von drei Tagen nach der Diagnose Harnwegsinfekt eine Antibiotikaverordnung für TMP, Amoxicillin, Cefalexin, Ciprofloxazin oder Nitrofurantoin erhielten.
Klinische Endpunkte waren akute Niereninsuffizienz, Hyperkaliämie bzw. Tod innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Antibiotikarezeptes.
Berücksichtigt (und durch logistische Regression adjustiert) wurden auch potentielle Verzerrungsfaktoren wie z.B. Alter, Geschlecht, Komorbidität, BMI, Raucherstatus, Alkoholgenuss, Kreatinin-Ausgangswert oder Einnahme von Renin-Angiotensin-Blockern und kaliumsparenden Diuretika.
Die mittlere Nachverfolgungszeit betrug 9.1 Jahre.
Unter den 1.191.905 Patient/innen über 65 Jahren wurden 178.238 Individuen mit mindestens einer solchen Antibiotikaverordnung identifiziert. Die am häufigsten verschriebenen Antibiotika waren TMP (59%), gefolgt von Nitrofurantoin und Cefalexin (je 15%) sowie Amoxicillin und Ciprofloxazin (je 5%). Amoxicillin diente als Referenzsubstanz.

Die Ergebnisse dokumentieren unter den 178.238 Teilnehmern
1.345 Episoden einer akuten Niereninsuffizienz
648 Episoden einer Hyperkaliämie und
2.214 Todesfälle

Die folgende Grafik zeigt, dass TMP statistisch signifikant mit akuter Niereninsuffizienz und Hyperkaliämie assoziiert ist, nicht jedoch mit erhöhter Sterblichkeit. Interessant erscheint zudem, dass Nitrofurantoin als einzige Substanz eine deutlich niedrigere Mortalität aufweist.

Trotz penibler Methodik und sorgfältig aufgeführten Limitationen (z.B. konnte natürlich nicht gesichert werden, ob die Patienten die verordneten Antibiotika in der Apotheke einlösten bzw. auch einnahmen): Es handelt sich hier um eine, wenn auch sehr große, Beobachtungsstudie, die grundsätzlich anfällig für Störfaktoren ist und keine Kausalität beweisen kann. Auf eine kontrollierte Studie allerdings werden wir bis zum Sankt-Nimmerleinstag warten müssen – der logistische und finanzielle Aufwand wäre nicht zu leisten.

Quintessenz:

  • Bei Harnwegsinfekten erhöht TMP (im Vergleich zu Amoxicillin) in den ersten zwei Wochen nach Verordnung das Risiko einer akuten Niereninsuffizienz pro 1000 Fälle um n=2 und das Risiko einer Hyperkaliämie um n=1. Die Sterblichkeit wird nicht erhöht. Dies gilt ausschließlich für Patienten über 65 Jahre!
  • Die Daten zeigen, dass auch Ciprofloxazin mit einem erhöhten Risiko einer akuten Niereninsuffizienz assoziiert ist!

Wie muss man angesichts der hier vorgelegten Daten insbesondere die Sicherheit von TMP als Antibiotikum bei akuten, unkomplizierten Harnwegsinfekten einschätzen?

Für die tägliche Praxis könnte man geneigt sein, Nitrofurantoin klar den Vorzug zu geben. Könnte…
[Eine differenzierte Analyse zu anderen Antibiotika, die von der S3-Leitlinie als gleichwertig eingeschätzt werden (neben Nitrofurantoin und TMP sind das Fosfomycin-Trometamol, Nitroxolin und Pivmecillinam, siehe https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=195299), kann hier aus Platzgründen nicht erfolgen.
Klar ist aber, dass Chinolone und Cefalosporine keine Mittel der Wahl bei unkomplizierten Harnwegsinfekten sind. Pivmecillinam und Fosfomycin-Trometamol werden vom arznei-telegramm als Reservemittel eingestuft].

Nitrofurantoin
ist von allen potentiell geeigneten Antibiotika am kostengünstigsten und weist konstant sehr geringe Resistenzraten auf. Das Nebenwirkungsrisiko in der Dosis von 2×100 mg für 3 (-5) Tage ist eher gering: Laut einer Analyse des arznei-telegramms von 2016 während ca. 30 J 52 Störungmeldungen..bei Anwendung bis zu einer Woche 2-100 mg. Aber Cave: Nierenfunktion GFR unter 60 ml ist Nitrofurantoin Kontraindiziert.

Trimetoprim;
laut Äerzteblatt sind gleichwertig, jedoch TMP hat höhere Resistenz als Nitrofurantoin aber Nieren sicherer ( bis GFR 10 ml). Laut Ärzteblatt sollte es nicht als Mittel der erste Wahl ansetzten ,falls Resistenz Lage für E.coli über 20% liegt. In S3 Leitlinien ist TMP sicherer eingestuft. Herr Kochen meint dass es aber noch revisionsbedürftigt ist…

Fazit:

Es nervt, dass ständig anderen Antibiotika empfohlen werden. Man kann sich kaum noch auskennen. Grundsätzlich sollten wir aber nach der lokalen Resistenzlage gehen.

Fazit Regen:

Wir sind alle verwirrt – und genervt. Alle verschiedenen Antibiotika werden in verschiedenen Leitlinien und Studien unterschiedlich empfohlen.
Wahrscheinlich ist es gleich, für welches man sich entscheidet. Man sollte die lokale Resistenzlage beachten und die aktuell gültigen Leitlinien.
Wichtig ist, die Ausschlusskriterien der einzelnen Antibiotika zu beachten (Nitrofurantadin und GFR<60).