Cochrane Oktober 2017
Procalcitonin to initiate or discontinue antibiotics in acute respiratory tract infections
Hintergrund
In letzten Jahren hat sich Procalcitonin (PCT) als Blutmarker bei bakteriellen Infektion für Entscheidungen für oder gegen eine antibiotische Therapie bei akuten respiratorische Infektionen entwickelt.
Ziel des Reviews war die Sicherheit und Wirksamkeit der Anwendung von PCT zu überprüfen, wann Antibiotika begonnen bzw. beendet werden sollen in unterschiedlichen Settings.
Einschlusskriterien:
RCT’s: Erwachsene mit akuten respiratorische Infektionen, die aufgrund eines PCT-Algorithmus eine antibiotische Therapie bekamen im Vergleich zu usual care. 26 Studien mit 6708 Teilnehmer in 12 Ländern eingeschlossen; 2 Studien mit ca. 1000 Teilnehmer waren primary care Setting;
Ergebnisse
Primärer Endpunkt: all-cause mortality: 8,6 % PCT-geführte Gruppe versus 10 % Kontrollen, damit signifikant geringere Mortalität;
Für Primary Care Setting konnten keine Mortalitätsraten berechnet werden, da nur ein Tod in einer Kontrollgruppe berichtet wurde.-
Primärer Endpunkt: Behandlungsversagen nach 30 Tagen: 23 % PCT-geführte Gruppe versus 24,9 % Kontrollen, nicht signifikant; Ergebnisse waren ähnlich zwischen den klinischen Settings und Art der respiratorische Infektionen.
Sekundäre Endpunkte: PCT-geführte Gruppe hatte 2,4 Tage weniger Antibiotika, weniger Antibiotika-Nebenwirkungen; keine Unterschiede bei Länge des KH Aufenthalts; In Primary Care Studien: 4,6 auf 1,6 Tage Antibiotikareduktion;
Die Qualität der Evidenz der Studien war für Mortalität und Antibiotikaverbrauch hoch.
Die Hälfte der Studien waren gesponsert durch Biomarker Industrie;
„Steuerung der Antibiotikatherapie“ entnommen aus dem Feedbackbericht des AQUA-Instituts für das ARENA Projekt (an dem unser Arztnetz GUAD teilnimmt)
4 Steuerung der Antibiotikatherapie
4.1. Biomarker
Die Indikation zur Gabe von Antibiotika und die Steuerung der Dauer der antimikrobiellen Therapie mithilfe von Biomarkern wurden in mehreren Studien und Settings untersucht.
Procalcitonin (PCT)
Procalcitonin, als Hormonvorstufe des Calcitonins in der Nebenschilddrüse gebildet, findet sich unter physiologischen Bedingungen im Serum nur in geringen Mengen (Erwachsene und Kinder: ≤ 0,02 μg/l). Stimuliert durch bakterielle Toxine und Entzündungsmediatoren steigt der PCT-Spiegel im Verlauf systemischer bakterieller Entzündungen innerhalb von 2-12 Stunden stark an (hingegen: C-reaktives Protein, CRP, 12-72 Stunden) und ist progressiv bei fehlender oder falscher Antibiotikatherapie. Die Halbwertszeit von PCT im Plasma ist mit 25-35 Stunden klein, weswegen bei erfolgreicher Therapie PCT nach 2-3 Tagen wieder den Referenzbereich erreicht. Im Unterschied zum CRP ist PCT bei sterilen Entzündungen wie den Bindegewebserkrankungen, rheumatischen Erkrankungen und vielen Zuständen mit Fieber nicht erhöht, es sei denn, es liegt eine bakterielle Superinfektion vor. Damit ist PCT zur Abgrenzung von nicht-bakteriellen Ursachen einer Entzündung ein besserer Marker als CRP (Thomas 2012).
In Studien mit PCT-Kontrolle konnte nachgewiesen werden, dass bei hospitalisierten Patienten eine PCT-gesteuerte antimikrobielle Therapie hilft, diese zu verkürzen. Je nach Stopp-Empfehlung (meistens bei Spiegeln ≤ 0,25 μg/l oder hohen Spiegelabfällen ≥ 90 %) und Pneumonie-Schweregrad kann eine Verkürzung der Antibiotikatherapiedauer von bis zu 7 Tagen (von 12 auf 5 Tage bei mittelschwer erkrankten, hospitalisierten Patienten) erreicht werden. Allerdings sind diese Erfolge einer PCT- gesteuerten Therapie bislang nur in spezialisierten Zentren gelungen (Ewig et al. 2016b; Simon et al. 2004).
Prinzipiell sind Studien aus dem stationären Bereich nur schwer auf den ambulanten Bereich übertragbar. Ferner fehlt zurzeit ein PCT-Schnelltest, sodass die Entscheidung Pro oder Kontra Antibiose erst nach Vorliegen der Laborwerte (1 ml Serum oder Plasma) möglich ist. Die Kosten liegen bei rund 25 Euro pro Test. Derzeit ist die PCT-Bestimmung aber (noch) nicht in den EBM aufgenommen.
C-reaktives Protein (CRP)
Im Gegensatz zum PCT-Test ist der CRP-Test als Schnelltest auch in der hausärztlichen Praxis verfügbar.
In einem Cochrane-Review, in dem 6 RCTs mit 3.284 Teilnehmern (139 Kinder) zur Behandlung akuter Atemweginfektionen ausgewertet worden sind, ergab sich eine geringere Einnahmerate durch Zuhilfenahme eines CRP-Tests mit einer relativen Risikoreduktion RR = 0,78 (95%-KI: 0,66-0,92). Das Ergebnis ist allerdings aufgrund der großen Heterogenität der ausgewerteten Studien mit einer Unsicherheit belegt. Wurde aufgrund des CRP-Wertes auf eine Antibiotikaeinnahme verzichtet, führte dies nicht zu einer Verschlechterung des Genesungsprozesses, einschließlich der Dauer der Erkältungserkrankung (Aabenhus et al. 2014).
Ein aktuelles, weiteres Cochrane-Review, in dem 8 publizierte Reviews zum Thema Reduktion der Antibiotikagabe bei akuten Atemwegserkrankungen zusammengefasst worden sind, hat den Einsatz beider Labormethoden (CRP und PCT) sowie „shared decision making“ als Strategien zur Vermeidung von Antibiotika untersucht. Ergebnis war, dass alle drei Strategien helfen, den Antibiotikakonsum zu reduzieren, ohne dass die Patientenzufriedenheit darunter leidet oder die Patienten wegen ihrer Erkältungskrankheit häufiger zum Arzt hätten gehen müssen. Allerdings kann über die Größe des positiven Effektes der drei Strategien keine sichere Aussage gemacht werden (Tonkin-Crine et al. 2017).
Die für Mitteleuropa geltenden oberen Grenzwerte des CRP-Normalbereiches liegen zwischen < 5,1 mg/l für junge Erwachsene (20-24 Jahre) und < 9,3 mg/l für ältere Personen (65-72 Jahre). Grundsätzlich sind die Referenzbereiche für CRP sehr breit. So haben 25 % der Gesunden einen CRP-Wert < 1 mg/l und rund 14 % einen CRP-Wert ≥ 10 mg/l, weshalb die Interpretation erhöhter CRP-Werte im Zusammenhang mit dem klinischen Bild erfolgen sollte.
Bezüglich des CRP-Schwellenwertes, unter dem keine Antibiotika verschrieben werden sollten, be- steht keine Einigkeit. Vorgeschlagen wurden einerseits 10 mg/l, was zu einem CRP-Test mit relativ hoher Sensitivität aber geringer Spezifität führt, oder aber 20 mg/l, was mit geringerer, aber noch ausreichender Sensitivität einhergeht bei deutlich höherer Spezifität. In einer aktuellen Studie wurde ein Schwellenwert von 20 mg/l für Patienten zwischen 6 und 65 Jahren gewählt und ein Schwellenwert von 10 mg/l für Kinder zwischen 1 und 5 Jahren (Do et al. 2016).
Fazit:
In einigen besonderen Fällen kann PCT weiterhelfen. In der Praxis aufgrund von Preis und Verfügbarkeit z.Zt. noch selten nutzbar.
Grundsätzlich kann es aber ein sinnvoller Parameter für die Antibiotikasteuerung sein. Die Erforschung im ambulanten Setting (weniger schwer Kranke) ist noch nicht ausreichend erfolgt. Derzeit ist nur die Steuerung mit CRP möglich. Hier ist die Problematik des Grenzwertes offen.
Fazit Regen:
Für uns Praktiker sind folgende Punkte wichtig: klinischer Eindruck, Länge der Erkrankung, Erwartungshaltung des Patienten.
CRP (Labor) als Entscheidungshilfe einsetzen, Antibiotikarezept für den „Notfall“ mitgeben.
In der Klinik wird eher auf die Linksverschiebung geachtet als Hinweis auf einen bakteriellen Infekt. In der Klinik sind aber schwer Infekt viel häufiger als in der Praxis.
Im Grunde führt der klinische Eindruck.