Zum Inhalt springen

Persistierende sexuelle Dysfunktionen nach Finasterid

Arzneitelegramm

1994 wurde der 5-Alpha-Reduktasehemmer Finasterid (PROSCAR, Generika, 5 mg/Tag) zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie in Deutschland in den Handel gebracht, 1999 ein niedriger dosiertes Finasterid-Präparat (PROPECIA, Generika, 1 mg/Tag) gegen androgenetisch bedingten Haarausfall (a-t 1994; Nr. 12: 114-5 und 1999; Nr. 2: 22-3). Eine Zunahme sexueller Dysfunktionen unter der Einnahme ist in Zulassungsstudien beschrieben. Nach Markteinführung gehen den Behörden jedoch Berichte über Erektionsstörungen zu, die nach Absetzen persistieren. 2008 wird zunächst die Fachinformation zu PROPECIA um einen entsprechenden Hinweis ergänzt,1 2011 auch die zu PROSCAR.2 Jetzt warnen die Anbieter der Finasterid-Originale und -Generika in einem gemeinsamen Rote-Hand-Brief vor sexuellen Dysfunktionen, die nach Absetzen der Therapie länger als zehn Jahre fortbestehen können. Insbesondere vor Verordnung von Finasterid als Haarwuchsmittel soll diese schwerwiegende Anwendungsfolge in der Nutzen-Schaden-Abwägung Berücksichtigung finden.3
Das Phänomen wird inzwischen auch als Post-Finasterid-Syndrom bezeichnet und umfasst neben anhaltender sexueller Dysfunktion auch psychische Störungen wie Depression. Die Häufigkeit ist unklar: Nach einer der wenigen Kohortenstudien, einer unkontrollierten retrospektiven Beobachtungsstudie auf der Basis elektronischer Patientendaten, erleiden 34 von 4.284 jungen Männern (0,8%) ohne vorbestehende Störung unter täglich bis zu 1,25 mg Finasterid eine im Median vier Jahre persistierende erektile Dysfunktion.4 Die Existenz des Syndroms wird in der Literatur kontrovers eingeschätzt.5,6 Auch die Pathophysiologie eines anhaltenden Schadens ist unklar. Die Datenbasis für das Risikosignal ist zugegebenermaßen begrenzt und wenig robust: Es liegen hauptsächlich Spontanberichte und Fallserien vor, überproportional häufig zu Finasterid als Haarwuchsmittel.6-8 Die Beurteilung eines kausalen Zusammenhangs ist hier zudem erschwert, weil wichtige Kriterien, die den Verdacht stützen könnten, die Besserung nach Absetzen und die positive Reexposition,9 bei nach Absetzen persistierenden Störungen nicht anwendbar sind. Unter den 2011 von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA ausgewerteten 59 Berichten über mindestens drei Monate persistierende sexuelle Dysfunktionen nach Absetzen von Finasterid als PROPECIA, die die Basis bilden für entsprechende Warnhinweise in der US-amerikanischen Produktinformation, sind allerdings drei, in denen die Störung während einer ersten Einnahme auftritt und sich nach Absetzen zurückbildet, nach erneuter Einnahme jedoch wieder auftritt und dann anhält.10 Erkenntnisse zu persistierenden Schäden sind zudem auch in Verbindung mit anderen Arzneimitteln – beispielsweise dem Malariamittel Mefloquin (LARIAM, hierzulande außer Handel; vgl. a-t 2013; 44: 72 und 84) – durch Spontanberichte und Fallserien gewonnen worden, nicht in klinischen Studien.11
Auch die aktuelle Warnung basiert auf mehreren Fallberichten.3 Möglicherweise sahen sich Behörden und Anbieter jedoch auch wegen zweier Musterklagen von Finasterid-Geschädigten auf Schadenersatz, die 2018 beim Berliner Landgericht eingereicht wurden,12 zur Eile gedrängt.

Die Nutzen-Schaden-Bilanz von Finasterid als Haarwuchsmittel (PROPECIA, Generika) sehen wir auch wegen des Verdachts auf nach Absetzen über Jahre persistierende sexuelle Dysfunktionen als negativ an. Von der Anwendung raten wir ab.
Bei benigner Prostatahyperplasie haben 5-Alpha-Reduktasehemmer wie Finasterid (PROSCAR, Generika) strikten Reservestatus. Patienten sind auch über die nach Absetzen potenziell jahrelang persistierenden sexuellen Dysfunktionen aufzuklären.

Fazit:

Wir sollten solche Patienten unbedingt heraussuchen und nach Alternativen suchen.

Fazit Regen:

Wir wundern uns, dass die Nebenwirkungen offensichtlich nicht dosisabhängig sind. Und dass die höhere Dosis bei BPH nicht zu Haarwuchs führt.