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Primäre Behandlung chronischer Schlafstörungen bei Erwachsenen: Verhaltenstherapie versus Schlafmittel

AMB 2020, 54, 93                                                               

Zusammenfassung: Anhaltende Schlafstörungen bei Erwachsenen und ihre Behandlung sind ein sehr häufiges Problem in der Hausarztmedizin. Eine aktuelle randomisierte Studie zeigt, dass eine initiale Behandlung chronischer Schlafstörungen mit einfachen verhaltenstherapeutischen Maßnahmen ähnlich wirksam ist wie eine Behandlung mit einem Hypnotikum (Remissionsrate ca. 35%). Allerdings verlängerten Hypnotika (hier Zolpidem bzw. Trazodon) die Schlafdauer stärker als die verhaltenstherapeutischen Maßnahmen. Eine Behandlungssequenz mit primärer Verhaltenstherapie und anschließender dreimonatiger Weiterbehandlung der „Non-Responder“ mit Hypnotika (oder vice versa) erhöht die Remissionsrate auf 50%-60%. Diese Ergebnisse bestätigen die Empfehlungen geltender Behandlungsleitlinien, wonach eine kognitive Verhaltenstherapie wegen der vielen unerwünschten Wirkungen einer Langzeittherapie mit Hypnotika die erste Wahl bei Behandlung von Schlaflosigkeit ist. Hausärzte sollten sich mit dieser Technik vertraut machen.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 337 Patienten gescreent und 211 für die erste Behandlungsphase randomisiert. Das mittlere Alter betrug 45,6 Jahre; 63% waren Frauen, 69% berufstätig, 18% in Rente, 8% arbeitslos und 5% in Ausbildung. Die Insomnie bestand im Mittel 13,2 Jahre, 35% der Probanden hatten eine psychiatrische Erkrankung, 25% hatten im Jahr zuvor Hypnotika und 17% Psychopharmaka eingenommen.

Es wurden 104 Probanden in den ersten (VT) und 107 in den zweiten Behandlungsarm (Zolpidem) gelost. Nach 6 Wochen hatten 43 Teilnehmer (20,3%) die Studie vorzeitig beendet (16 in Arm 1 und 27 in Arm 2). Von den in der Studie verbliebenen Teilnehmern erreichten 38% mit VT und 30,3% mit Zolpidem eine Remission. Nach Korrektur auf Kovariable und fehlende Daten beträgt die OR für die VT 1,41 (95%-Konfidenzintervall = CI: 0,75-2,65; der Unterschied ist nicht signifikant). Auch die „Response-Rate“ war ähnlich: mit VT 45,5% und mit Zolpidem 49,7% (OR: 1,18; CI: 0,60-2,33; ebenfalls nicht signifikant).

 Es wurden 108 Nonresponder nun in die zweite Studienphase randomisiert: Arm 1 für Zolpidem oder KVT-I und Arm 2 für Trazodon oder VT (n = 27 pro Gruppe). Dadurch ergeben sich 4 Behandlungssequenzen. In der zweiten Phase brachen 30 Teilnehmer (27,8%) die Studie vorzeitig ab: Bei Sequenz VT → Zolpidem waren es 10, bei Sequenz VT → KVT-I 2, bei Sequenz Zolpidem → VT 6 und bei Sequenz Zolpidem → Trazodon 12. Unter den in der Studie verbliebenen Probanden stieg in beiden Sequenzen aus Arm 1 die „Response“-Rate weiter signifikant an: bei VT → Zolpidem von 40,6% auf 62,7% (OR: 2,46) und bei VT → KVT-I von 50,6% auf 68,2% (OR: 2,09). Die Sequenzen aus Behandlungsarm 1 führten zu geringeren, nicht signifikanten Verbesserungen.

Die therapeutischen Erfolge blieben im Laufe der Zeit erhalten. Die Remissionsraten lagen nach einem Jahr zwischen 50% und 60%. Bei psychischen Erkrankungen war in der ersten Behandlungsphase die „Response“-Rate geringer (36,4% vs. 53,9%), in Phase 2 kam es aber auch bei diesen zu einem guten Therapieeffekt. Weitere sekundäre Endpunkte wurden aus Schlaftagebüchern generiert. Dabei zeigte sich, dass die kognitiven Therapien wirksamer waren hinsichtlich der Reduzierung von Schlaflatenz, Wachzeiten nach Schlafbeginn und der Erhöhung der Schlafeffizienz. Die Hypnotika erhöhten v.a. die Gesamtschlafdauer: +74 min vs. +11 min bei einer rein verhaltenstherapeutischen Intervention.

Die Aussagekraft der Studie ist eingeschränkt durch die geringe Zahl der Patienten, die Art der Rekrutierung (möglicher Selektionsbias), die hohe Quote der Studienabbrecher (34,6%), die Vermischung von Patienten mit und ohne psychiatrische Komorbiditäten und das Fehlen einer Kontrollgruppe ohne Intervention. Wahrscheinlich reflektieren diese Einschränkungen aber auch die Komplexität der betroffenen Patienten und die Diversität der Störung.

Fazit:

Es gibt eher wenige Psychotherapeuten, die diese Therapie anbieten. Es scheint sich zu lohnen.

Fazit Regen:

Zum Psychotherapeuten hat noch keiner von uns einen Patienten mit Schlafstörungen geschickt. Die Ursachen sind mannigfach und die Ursachenforschung ist wichtig.