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Water intake and progression of chronic kidney disease: the CKD-REIN cohort study

Nephrology Dialysis Transplantation/AMB

Wagner et al., Nephrology Dialysis Transplantation, Volume 37, Issue 4, April 2022, Pages 730–739, https://doi.org/10.1093/ndt/gfab036

Trotz der weit verbreiteten Empfehlung für die adäquate tägliche gesamte Wasserzufuhr (Trinkmenge plus Wasser aus Nahrungsmitteln) für Männer 2,5 l und für Frauen 2,0 l bei normaler Umgebungstemperatur und moderater körperlicher Aktivität, wurde keine bewertbare Studie diesbezüglich bis dato durchgeführt. Diese Angabe soll generell auch für Ältere gelten, obwohl bekanntermaßen die Ausscheidungsfähigkeit der Nieren – gemessen an der errechneten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) sowie der Fähigkeit, den Urin zu konzentrieren bzw. zu verdünnen – schon physiologisch im Laufe des Lebens erheblich abnehmen.

Die renommierte französische Arbeitsgruppe „CKD REIN“ hat sich näher mit dem Thema der optimalen Trinkmenge bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz hinsichtlich des Fortschreitens in das nierenersatzpflichtige Stadium (Nierenversagen) befasst. In dieser Beobachtungsstudie wurde neben der jährlichen Abnahme der eGFR auch die Urinosmolarität als Messgröße der Nierenleistung herangezogen.

Methodik: Insgesamt wurden 1.265 Patienten der CKD-REIN-Kohorte aus 40 nephrologischen Zentren (Jahre 2013-2019) mit chronischen Nierenerkrankungen eingeschlossen. Die mittlere errechnete GFR betrug zu Beginn 32 ml/min/1,73 m2 (15-60 ml/min/1,73 m2) und das mediane Alter 69 Jahre. Zu Beginn wurde in Interviews die Flüssigkeitszufuhr ermittelt; außerdem wurde das 24-Stunden-Urinvolumen gemessen sowie die GFR und die Osmolarität im Urin nach einer etablierten Formel errechnet [15]. Mittels eines COX-Regressionsmodells sowie auch gemischter linearer statistischer Methoden wurden Hazard Ratios (HR) und die 95%-Konfidenzintervalle (CI) hinsichtlich der Beziehung zwischen Trinkmenge und Fortschreiten in das Stadium des Nierenversagens sowie der jährlichen Abnahme der eGFR („slope“) ermittelt.

Ergebnisse: Zu Beginn betrug die Menge des gesamten täglich zugeführten Wassers in der Kohorte im Median 2,0 l (IQR: 1,6-2,6 l), die reine Wasserzufuhr 1,5 l (IQR: 1,0-1,7 l) und das Urinvolumen 1,9 l (IQR: 1,6-2,4). Die mittlere Urinosmolarität wurde mit 374 ± 104 mosm/l errechnet und die mittlere Ausscheidung osmotisch wirksamer Bestandteile mit 691 mosm/d (ein Maß für die renale Belastung mit harnpflichtigen Substanzen). Die klinisch besonders bedeutsamen statistischen Beziehungen zwischen den Gruppen unterschiedlicher Trinkmengen („plain water“), dem Fortschreiten in das Stadium des Nierenversagens während der 3-jährigen Beobachtung (mehrere Messungen) sowie der jährlichen Abnahme der eGFR sind in Tab. 1 wiedergegeben. Dabei wurden die nach verschiedenen Parametern adjustierten HR gegenüber der als Referenz (HR = 1,0) angenommenen Trinkmenge von 1,0-1,5 l errechnet. Es ergibt sich bei der Darstellung der Ergebnisse im Diagramm eine U-förmige Beziehung, d.h. Trinkmengen von unter 1,0 l/d und über 1,5 l/d sind beide mit einem ungünstigeren Verlauf hinsichtlich der Zunahme der Niereninsuffizienz assoziiert. Eine ähnliche Beziehung ergab sich auch zwischen dem Urinvolumen/24 h und dem Fortschreiten in das Nierenversagen, wobei hier die U-förmige Kurve die Referenzlinie (HR: 1,0) bei ca. 1,6 l/d und 3,2 l/d schneidet. In diesem Bereich der täglichen Urinmenge ist also ein optimaler Risikobereich anzunehmen oder anders formuliert: Es scheint günstig zu sein, wenn die Niere nicht zu stark gefordert wird, den Urin konzentrieren oder verdünnen zu müssen. Die Studie hat trotz der plausiblen Methodik einige Schwächen, die auch von den Autoren erwähnt werden. Dazu gehört, dass diese Beobachtungsstudie keine verlässlichen Aussagen zu kausalen Beziehungen machen kann. Außerdem wurden die Angaben zur täglichen Trinkmenge nur einmal zu Beginn der Studie erhoben. Das könnte sich je nach Temperatur und Durstgefühl im Laufe des längeren Beobachtungszeitraums durchaus geändert haben. Möglicherweise haben auch unterschiedliche Nierenerkrankungen die Ergebnisse beeinflusst.

Fazit

Eine aktuelle, größere Studie mit gutem Design ergab, dass (auch) bei niereninsuffizienten Patienten eine Trinkmenge von 1,0-1,5 l/d optimal/adäquat ist im Hinblick auf das Fortschreiten der Niereninsuffizienz – eine normale Umgebungstemperatur und moderate körperliche Aktivität vorausgesetzt. Größere oder geringere Trinkmengen waren mit einem ungünstigeren Verlauf assoziiert (U-förmige Kurvenbeziehung). Die Befunde können so gedeutet werden, dass eine insuffiziente Niere durch ein starkes Verdünnen bzw. Konzentrieren des Urins „belastet“ wird und sich dadurch die Prognose verschlechtert. Ob es möglich ist, durch intermittierende Messung der Urinosmolarität mit entsprechender Anpassung der Trinkmenge auf einen im Mittel isoosmolaren Urin das Fortschreiten der Niereninsuffizienz zu bremsen, müssten weitere Studien untersuchen.

Fazit:

Im Grunde hilft es uns im täglichen Leben: wir müssen unsere Patienten nicht zwingen, über 2 Liter zu trinken. Und nur einen halben Liter zu trinken, schafft man kaum. Die Empfehlung erscheint praktisch gut umsetzbar.