Background: In Switzerland, as in various other countries throughout the world, elderly drivers have to pass a medical screening assessment every two years to keep their driver’s licence. The scientific literature shows no clear evidence that these policies improve road safety. This study evaluated the effects of the Swiss screening policy by comparing the accident and injury rates of elderly road users in Switzerland with those in Austria and Germany, two neighbouring countries without systematic age-based screening policies. The aims of this study were to examine if the screening policy is associated with a reduced risk of elderly car drivers causing serious accidents (research question 1) or with an increased risk of elderly pedestrians or (e-)cyclists being seriously or fatally injured (research question 2).
Methods: In all three countries, data on accidents were taken from official statistics based on police reports and mileage data from national mobility surveys. An accident was defined as serious if at least one person is seriously or fatally injured in it. Accident and injury rates were calculated using distances driven and population size as measurement of exposure. Multiple Poisson regression models were used to examine the association between the Swiss policy and the accident or injury risk of elderly persons.
Results: We found no association between the screening policy for elderly drivers in Switzerland and their risk of causing a serious accident (incidence rate ratio [IRR] 1.24, 95% confidence interval [CI] 0.79-1.94). Contrary to other studies, however, the Swiss policy was not associated with an increased risk of elderly pedestrians (IRR 1.16, 95% CI 0.80-1.68) and (e-)cyclists (IRR 0.79, 95% CI 0.56-1.12) being seriously or fatally injured.
Conclusions: The intended positive effect of the Swiss screening policy on accident rates of elderly drivers could not be demonstrated in this study. These findings serve as a basis for discussion on how to proceed with the policy in the future.
Fazit:
Es scheint so, also ob die regelmäßigen Screeninguntersuchungen auf Fahrtauglichkeit keinen unfallreduzierenden Effekt haben. Grundsätzlich wäre es individuell sicher sinnvoll, zumindest zum eigenen Schutz die eigene praktische Fahrtauglichkeit prüfen zu lassen – wenn schon nicht für die anderen Verkehrsteilnehmer.
Julia: Inspiriert von der Studie zur Fahruntauglichkeit wollte ich mich nochmal mit dem ärztlichen Fahrverbot auseinandersetzen und bin auf den folgenden Artikel im Deutschen Ärzteblatt gestoßen. Es ist zwar keine Studie, aber mich interessiert brennend, wie ihr in der Praxis damit umgeht!!
Aufklärungspflicht: Umgang mit fahruntauglichen Patienten in der Praxis
Das ärztliche Fahrverbot ist nicht bindend. Dennoch sind Mediziner dazu verpflichtet, über eine bestehende Fahruntüchtigkeit aufzuklären. Auch eine Meldung an die Behörden kann angezeigt sein. Informations- und Aufklärungspflicht: Ist ein Patient aufgrund einer Erkrankung oder Therapie fahruntüchtig, muss der Arzt ihn aufklären. Viele Ärztinnen und Ärzte kennen die Problematik aus der Praxis: Ein Patient wird für einen ambulanten Eingriff sediert und ist danach temporär nicht geeignet, ein Kraftfahrzeug zu führen. Er zieht dann aber beim Verlassen der Praxis frohgemut seinen Autoschlüssel aus der Tasche und es ist offenkundig, dass er den Heimweg
mit dem eigenen Pkw anzutreten gedenkt. Oder ein anderer Fall: Bei einem betagten Patienten wird eine fortgeschrittene Demenz diagnostiziert und der Patient beziehungsweise die Angehörigen stellen die Frage, ob nun besser der Führerschein abzugeben ist. Es ist dann zu entscheiden, inwieweit der behandelnde Arzt verpflichtet und auch berechtigt ist, auf den Patienten einzuwirken beziehungsweise er trotz des Bestehens der ärztlichen Schweigepflicht Dritte (zum Beispiel Polizei, Straßenverkehrsamt) über die fehlende Fahrtauglichkeit informieren
kann oder sogar muss.
Grundsätzlich gebietet die strafrechtlich nach § 203 Strafgesetzbuch (StGB) sanktionierte Schweigepflicht dem Arzt, zunächst das Gespräch mit seinem Patienten zu suchen und diesen über die Gefahren des Autofahrens vor dem Hintergrund des jeweiligen (temporären) Gesundheitszustandes aufzuklären. Hierbei ist es oftmals wichtig, den Patienten klarzumachen, dass eine Fahruntüchtigkeit absolut besteht und es insoweit keine Ausnahmen für „kurze Fahrstrecken“ oder „bekannte Wege“ gibt. Der Arzt kommt damit auch seiner Informations- und Aufklärungsverpflichtung (§§ 630 c Abs. 2, 630 e Abs. 1 BGB, sog. Sicherungsaufklärung) nach. Auch im Hinblick auf eine spätere Beweisproblematik ist dem Arzt anzuraten, dies zu dokumentieren. Die Aufklärung über die
erkrankungs- oder therapiebedingte Fahruntüchtigkeit hat zudem anlasslos zu erfolgen – also unabhängig davon, ob dem Arzt bekannt ist, dass der Patient gedenkt, einen Pkw zu benutzen. Das ärztliche „Fahrverbot“ besitzt gegenüber dem Patienten allerdings keine rechtliche Bindungswirkung, sondern führt für den Patienten nur dazu, dass ein gegen die Anweisung des Arztes verstoßendes Verhalten als grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich einzustufen ist, was zum Beispiel zu einem Verlust der Deckung in der Kfz-Haftpflichtversicherung im Falle
eines Unfalles führen kann. Unterlässt der Arzt es, seine Patienten über mögliche Auswirkungen von Medikamenten auf die Fahrtüchtigkeit zu informieren beziehungsweise kann er dies im Schadensfall nicht nachweisen, kann sich hieraus auch eine eigene Haftung des Arztes für etwaige Unfälle des Patienten ergeben
(vergleiche bereits LG Konstanz, Urteil vom 14. April 1972, Az.: 5 O 74/72). Eine allgemeine rechtliche Verpflichtung zur Mitteilung an Dritte besteht jedoch nicht, da dem Arzt hinsichtlich der Sicherheit des Straßenverkehrs keine Garantenpflicht zukommt.
Meldung an die Behörden
Soweit der Patient sich trotz ordnungsgemäßer Aufklärung dann nicht an die Hinweise des Arztes hält, ohne dass der Arzt dies vorab erkennen konnte, kann dem Arzt kein Vorwurf gemacht werden. Im Bereich der Medikamentengabe wird zwar durch die Regelung des § 24 a Abs. 2 Satz 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) das
Führen eines Kraftfahrzeuges nach bestimmungsgemäßer Einnahme von THC, Morphin, Benzoylecgonin, Amphetamin, MDE oder MDMA von der Ordnungswidrigkeit ausgenommen, allerdings greift dies nicht, wenn zuvor
ärztlicherseits darüber aufgeklärt wurde, dass aufgrund der Dosierung nach Medikamenteneinnahme keine Fahrtüchtigkeit mehr besteht.
Die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) enthält in den Anlagen 4, 5 und 6 eine Auflistung von Erkrankungen, die regelmäßig einer Eignung zum Führen von Fahrzeugen entgegenstehen können. Diagnostiziert der Arzt eine Erkrankung, die eine Fahruntauglichkeit nach sich zieht beziehungsweise führt die Therapie zum Verlust der Fahrtüchtigkeit und zeigt sich der Patient nach entsprechender Aufklärung dennoch uneinsichtig und der Arzt hat die konkret begründete Befürchtung, der Patient werde weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen, kann der Arzt nach Abwägung der widerstreitenden Pflichten und Interessen eine Meldung an die Fahrerlaubnisbehörde oder die Polizei machen – verpflichtet ist er hierzu jedoch grundsätzlich nicht. Erst bei extremen Gefahrenlagen, in denen eine Schädigung fast unvermeidlich erscheint (zum Beispiel Suizidabsicht unter Nutzung des Pkw), wird man darüber nachdenken müssen, dem Arzt im Wege der Garantenpflicht für das Wohl des von ihm behandelten Patienten als Ultima Ratio eine Verpflichtung zur Meldung an die Behörden abzuverlangen. Überwiegend wird jedoch auch in diesen Fällen davon ausgegangen, dass nur ein Offenbarungsrecht, aber keine Pflicht des Arztes vorliegt, da die Rechtmäßigkeit des Handelns beziehungsweise Unsicherheit, ob die rechtfertigenden Notstandsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen, regelmäßig nicht klar beurteilbar ist und die Rechtsordnung von niemandem eine möglicherweise rechtswidrige Handlung einfordern kann.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Fall der erfolgten Meldung an die Behörden zwar die vollendete Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht erkannt, diese jedoch aus Notstandsgesichtspunkten (§ 34 StGB) für gerechtfertigt erachtet (Urteil vom 8. Oktober 1968, Az.: VI ZR 168/67; ebenso OLG München, Urteil vom 26. April 1956 Az. Ws 208/56). Allerdings muss der Arzt insoweit die Mitteilung an die Behörden knapp fassen und darf lediglich die die Fahruntauglichkeit begründende Diagnose sowie die Angabe, dass aus ärztlicher Sicht Zweifel an der Fahrtüchtigkeit bestehen, weiterleiten. Eine komplette Darstellung der Krankengeschichte ist hingegen nicht zulässig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. April 2015, Az.: 2 Ws 101/15).
Abwägung von Interessen
Ein besonderes heikles Thema sind in diesem Zusammenhang Suchterkrankungen wie Alkoholismus oder Drogenabhängigkeit. Allein die Feststellung der Suchterkrankung dürfte regelmäßig nicht bereits eine Mitteilung an die Behörden rechtfertigen, da insoweit das Geheimhaltungsinteresse des Patienten überwiegt. Erst wenn der Arzt konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Patient zum Beispiel beabsichtigt, in alkoholisiertem Zustand Auto zu fahren („Wie soll ich sonst zur Arbeit kommen?“), kann eine Interessenabwägung den Bruch der Schweigepflicht
rechtfertigen (vgl. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 16. November 2010, Az.: 14 K 3188/10: Ein Patient war alkoholisiert im eigenen Pkw zur Rehaklinik angereist, hatte die angeratene Entzugsbehandlung bei weiterhin regelmäßig nachgewiesener Alkoholisierung dann eigenmächtig abgebrochen und die Klinik im Pkw verlassen). Eine rein abstrakte Gefahr reicht insoweit nach hier vertretener Auffassung nicht aus.
Sofern ein Arzt sich in einem entsprechenden Fall nach Abwägung der Interessen zur Information der Behörde entschließt und sich dann im Nachhinein bei gerichtlicher Überprüfung diese Entscheidung als Fehleinschätzung herausstellt, kann er sich zumindest auf die irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Notstandes berufen, was nach § 16 Abs. 1 StGB den Vorsatz ausschließt. Eine dann lediglich fahrlässige Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht ist nicht strafbar. Prof. Dr. Bernd Halbe
Julia: Ich finde, es ist ein sehr heikles Thema. Gerade in ländlichen Gebieten sind unsere betagten Patient*innen, die vielleicht nicht so eine große familiäre Unterstützung haben, auf ihr Auto angewiesen. Sie können dadurch noch mobil sein und am Leben teilnehmen. Diese Mobilität zu verlieren, würde für viele einen Verlust an Lebensqualität darstellen. Auf der anderen Seite kann man selbstverständlich den Sicherheitsaspekt nicht außer Acht lassen. Aber wo zieht man als Arzt da die Grenze? Sobald sich Zeichen einer Demenz erkennen lassen? Bei Schwindel? Es fällt mir nicht leicht zu entscheiden, ab wann ich ein ärztliches Fahrverbot aussprechen würde. Aus diesem Gesichtspunkt heraus wären standardisierte Überprüfungen vielleicht sogar gerechtfertigt. Ob man das altersabhängig macht und in welchen Abständen sei mal dahingestellt. Tonis Punkt zur Diskriminierung ist sicherlich auch essenziell und diskussionswürdig.
Andrea: Ich finde es eben auch sehr schwierig. Wir haben gerade einen Fall, wo die Fahruntauglichkeit klar ist, der Patient sich aber nicht daran hält. Viel schwieriger finde ich aber die Fälle, wo ich einfach nicht sicher bin, ist der Patient schon so dement, dass er nicht mehr fahren darf oder so schwindelig, dass es nicht mehr geht und ich bin immer unsicher, wo ich da die Grenze ziehen soll. An Toni: es ist ja bekannt, dass auch junge Menschen viel mehr Unfälle bauen als die mittleren Altersgruppen, aber die Ursachen sind ja ganz andere. Bei jungen Menschen würde eine medizinische Untersuchung die Ursache der Unfälle ja nicht beseitigen (Selbstüberschätzung, Unerfahrenheit, Draufgängertum).